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Bedrohung

Bedrohung

Titel: Bedrohung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Kernick
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dafür zu sterben, was mir vernünftig erschien. Ich und die meisten Leute hätten wohl so gehandelt. Doch bei diesen Jungs weiß man nie – es geht ständig um Respekt und den Ruf auf der Straße, und daher war es ungefähr die schwerste Demütigung, sich in aller Öffentlichkeit niederknien und seine Waffen und seine Kohle abliefern zu müssen.
    Genau deshalb lief die Sache am Ende schief.
    Es passierte, als ich hinter LeShawn kauerte und ihm die MP5 an den Kopf drückte. Ich wollte ihn wie seinen Begleiter nur kurz durchsuchen, um sicherzugehen, dass er keine zweite Waffe bei sich trug. Cecil hielt ihn von vorne in Schach. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte die ganze Geschichte, seit ich aus dem Wagen gesprungen war, vielleicht fünfundvierzig, maximal fünfzig Sekunden gedauert und war eigentlich sauber gelaufen. Wir brauchten vielleicht noch zehn Sekunden, dann konnten wir einsteigen und abhauen. Doch plötzlich richtete Cecil seinen Blick auf den Eingang des Sozialbaus und fluchte. Ich hörte Schreie und drehte mich um.
    Ein dürrer, weißer Typ mit wirr abstehenden Haaren, der nichts außer einer schmuddeligen Trainingshose trug, kam aus dem Haus gerannt. Er schwenkte ein Kochmesser und war offensichtlich voll auf Crack.
    Cecil jagte eine ohrenbetäubende Salve über den Kopf des Heranstürmenden, was den Burschen immerhin so weit aus seinem Wahn holte, dass er sich auf den Boden schmiss und dabei das Messer verlor. Doch ich hatte einen Augenblick nicht aufgepasst, und schon fuhr LeShawn herum, packte den Lauf meiner MP5 und versuchte, sie mir aus den Händen zu reißen. Ich fiel nach vorne, widerstand der Versuchung, einfach abzudrücken, landete im Gras und warf mich herum, hatte die MP5 aber immer noch gut im Griff.
    LeShawn fiel auf mich drauf, schob den Lauf beiseite und presste mir mit seiner fetten Pranke die Kehle zu. Er verfügte über solche Kräfte, dass ich sofort keine Luft mehr bekam. Ich wollte ihn wegtreten, hatte aber nicht genügend Platz, um ernsthaften Schaden anzurichten. LeShawn heulte auf, in seinen Mundwinkeln fingen sich dicke weiße Speichelflocken, und mit der Linken knallte er die MP5 ins Gras, wobei er mir den Arm verdrehte. Dann stieß er nach vorne und versuchte, mich ins Gesicht zu beißen. Es gelang mir, eine Hand freizubekommen und sie ihm unters Kinn zu schlagen, sodass er sich heftig auf die Zunge biss.
    Wütend wollte er erneut seine Zähne in mich schlagen, doch plötzlich verschwand seine rechte Gesichtshälfte in einem roten Nebel, und ein Schwall warmen Bluts überschwemmte mich. Der Griff um meinen Hals erschlaffte, und sein Körper fiel kraftlos auf mich herab. Er grunzte ein letztes Mal auf, und ich schaffte es gerade noch, mich herumzuwälzen, ehe er mich unter sich begraben konnte.
    Ich schob ihn beiseite und sprang hoch. Dabei wischte ich mir das Blut aus den Augen und kontrollierte, ob ich den Seesack noch über meiner Schulter hatte.
    »Komm schon, beweg dich!«, rief Cecil und war bereits auf dem Weg zum Wagen.
    Die beiden anderen Mitglieder von LeShawns Truppe lagen reglos auf dem Boden und machten keinerlei Anstalten, sich einzumischen. Der Typ mit den wirren Haaren dagegen hatte sich wieder erhoben und stocherte mit seinem Messer in der Luft herum, war aber klug genug, sich nicht näher heranzuwagen.
    Auf dem Weg zum Wagen warf Cecil mir einen wütenden Blick zu.
    »Verdammte Scheiße, was war los mit dir?«
    Ich verkniff mir eine Antwort, wuchtete den Seesack auf den Rücksitz, während Cecil um den Kühler lief und sich hinters Steuer setzte.
    Und in diesem Moment, als wir dachten, schlimmer könne es nun nicht mehr kommen, eskalierte die Situation erneut.
    Gerade als ich einsteigen wollte, bog hinter uns ein Streifenwagen in die Straße ein. Ohne Blaulicht und Sirene, so als wären sie noch keinem Notruf gefolgt, sondern aus reinem Zufall hier aufgekreuzt. Nichtsdestotrotz fuhr er direkt auf uns zu, und als sie uns passierten, sah ich die Cops an, und die Cops sahen mich an: einen blutüberströmten Mann mit einer Polizeimütze auf dem Kopf und einer Maschinenpistole in der Hand.
    Dummerweise kannte ich die beiden. PC John Nolan und PC Gloria Owana waren auf derselben Wache stationiert gewesen wie ich. Allerdings hatte ich eher wenig mit ihnen zu tun gehabt und war mir ziemlich sicher, dass sie mich in meinem jetzigen Zustand nicht wiedererkennen würden.
    Trotzdem stellten sie eine unmittelbare Bedrohung dar, und außerdem war es an der Zeit, Cecil zu

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