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Bedrohung

Bedrohung

Titel: Bedrohung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Kernick
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wohl kaum vermissen. Die beiden Bündel waren unterschiedlich dick, und sie bezweifelte, dass er sie gezählt hatte. Doch so eine Aktion brachte sie nur näher an die Welt derer, die sie verfolgte. Und wenn sie es ein Mal tun würde, würde sie es wieder tun. Sie musste an Dennis Milne denken, den korrupten Cop, dem sie vor zwei Jahren auf den Philippinen begegnet war, der sich vom Met-Detective zum Auftragskiller gewandelt und weiß Gott wie viele Menschen auf dem Gewissen hatte. Sie dachte auch an Fox und dessen Bemerkung, dass sie einander ähnlich seien, und schob mit einem Seufzer die Schublade in die Position zurück, in der sie sie vorgefunden hatte. Dann verließ sie das Zimmer und stieg die Treppe hinauf ins oberste Stockwerk.
    Als sie das Schlafzimmer erreichte, knackte das Funkgerät in ihrer Tasche. Es war Bolt.
    »Was ist los?«, flüsterte sie.
    »Das Beschattungsteam hat Brozi verloren.«
    »Großartig! Wo?«
    »Auf der Caledonian Road. Er hat plötzlich gewendet und sie abgehängt.«
    »Dann hat er sie also gesehen?«
    »Das weiß ich nicht, aber ich will, dass du sofort rauskommst. Mach jetzt keinen Scheiß mehr, Tina. Bitte.«
    Tina sah sich im Schlafzimmer um. Es war ordentlicher und sauberer als der Rest des Hauses und wurde von einem riesigen, von zwei Wandspiegeln flankierten Doppelbett sowie einem ausladenden Kleiderschrank beherrscht. Ihre Aufmerksamkeit erregte jedoch der Schreibtisch am Fenster, auf dem ein PC stand.
    »Okay, ich komme.«
    »Sofort«, wiederholte Bolt und beendete das Gespräch.
    Tina schätzte, dass ihr noch ein oder zwei Minuten blieben, und wandte sich dem PC zu. Der Monitor war dunkel, deshalb drückte sie die Enter-Taste. Sofort erschien das Standbild eines Amateurpornos. In der unteren Taskleiste befanden sich zwei weitere Internet-Icons. Sie klickte das erste an, das einen Web-Mail-Account öffnete. Dort, wo die bisherigen und neuen Mails hätten erscheinen sollen, gab es jedoch nur eine leere Fläche. Tina notierte sich die E-Mail-Adresse, dabei sah sie, dass im Entwurfsordner eine Mail lag. Den Entwurfsordner als Kommunikationsmittel zu benutzen, war ein beliebter Trick von Terroristen und Mitgliedern des organisierten Verbrechens. Wenn zwei oder mehr Leute Zugang zur selben E-Mail-Adresse besaßen, konnten sie einander über den Entwurfsordner Nachrichten zukommen lassen, ohne dass die Mails tatsächlich gesendet und möglicherweise abgefangen und mitgelesen wurden.
    Tina rief den Ordner auf, und die Nachricht erschien. Sie war mehrere Zeilen lang und in einer unverständlichen Sprache geschrieben. Wahrscheinlich Albanisch. Sie zoomte den Text größer und fotografierte ihn ab. Dann klickte sie sich zurück auf den E-Mail-Account und minimierte ihn, sodass Brozi, wenn er den Computer einschaltete, als Erstes wieder das Porno-Standbild sehen würde. Sie hatte keine Ahnung, ob der Mail-Entwurf eine taugliche Spur abgab, doch irgendwie wirkte er vielversprechend und schenkte ihr eine Ausrede, das Haus nicht unverzüglich verlassen zu haben.
    Tina war klar, dass es zeitlich eng werden konnte. Sie würde keine zweite Chance kriegen, Brozis Haus zu verwanzen, und um ehrlich zu sein, allein sich hier aufzuhalten, gab ihr einen Kick. Im Grunde wollte sie Versäumtes nachholen, denn in den vergangenen Monaten hatte sie wenig Aufregendes erlebt. Schnell und konzentriert schloss sie einen Tastatur-Rekorder, einen Keylogger, an Brozis PC an. Als sie sich dabei im Zimmer umsah, wo sie eine weitere Kamera installieren konnte, knackte erneut das Funkgerät.
    »Verdammt, was machst du so lange, Tina?«, wollte Bolt wissen. »Die haben immer noch keine Spur von Brozi. Du musst raus da. Los, los, mach schon.«
    »Okay, bin unterwegs …«
    »Oh Scheiße!«
    »Was?«
    »Gerade ist ein Auto in die Straße eingebogen.« Bolt hielt inne. »Jetzt parkt es. Keine zehn Meter vom Haus entfernt. Verdammt, das ist definitiv Brozi. Tina, schalt dein Funkgerät ab, und rühr dich nicht von der Stelle. Ich sag Bescheid, wenn er wieder weg ist.«
    Tina schüttelte den Kopf. Sie hatte es vermasselt. Die Vorschriften einer Abhöraktion waren eindeutig: Man durfte sich nur dann im Haus aufhalten, wenn die Zielperson anderswo unter Beobachtung stand. Sobald der Sichtkontakt verloren ging, musste die Aktion abgebrochen werden. Nach weniger als einem Tag im Team von Mike Bolt hatte sie bereits eine eherne Regel verletzt.
    »Er hat eine Pistole im Haus«, sagte sie schnell. »Vielleicht sollten wir

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