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Begraben

Begraben

Titel: Begraben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elena Sender
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Sizilianer überlegte. Er hatte sich geschworen, nichts zu sagen, aber Cyrille baute ihm damit goldene Brücken.
    »Ich will nicht mit dir darüber nachdenken, außerdem will ich überhaupt nichts mehr mit dir zu tun haben. Ich habe dir eine wichtige Information geliefert, nun musst du allein weiterkommen. Ich denke, es passt einigen Leuten sehr gut ins Konzept, dass du die Akte Daumas vergessen hast. Denk darüber nach und sei vorsichtig. Ich bin dann weg, ciao bella .«
    Cyrille blieb sprachlos in ihrem Sessel zurück. Sie öffnete den Mund und konnte nur ein Wort sagen:
    »Warum?«
    »Warum was?«
    »Warum lässt du mich im Stich?«
    Nino stieß ein kurzes Lachen aus. Die Gelegenheit war zu günstig, er würde endlich eine Rechnung mit der Dame begleichen können.
    »Seit gestern habe ich dich x-mal angerufen, um zu hören, wie es dir geht, weil ich mir nach der TMS Sorgen gemacht habe. Und du, du hast meine Anrufe nicht angenommen! Du hast es nicht einmal für nötig befunden, mir eine winzig kleine Antwort zu schicken. Das machst du nicht noch einmal mit mir. Du möchtest allein zurechtkommen, also gut, tue es.«
    Nino war wütend.
    »Soll ich dir mal sagen, was dein Problem ist? Ich habe dich früher gekannt, da warst du sympathisch, schüchtern, kanntest deine Grenzen und warst ziemlich bescheiden. Man konnte gut mit dir auskommen. Heute bist du eine Chefin, leitest ein Team und trägst die Nase hoch, weil du einen künftigen Nobelpreisträger geheiratet hast. Na gut, bleib auf deinem Höhenflug und vergiss mich einfach. Wir gehören nicht mehr derselben Welt an, das hast du mich deutlich spüren lassen. Jeder sollte bleiben, wo er hingehört.«
    Der Schlag saß. Cyrille sackte regelrecht in sich zusammen. Sie presste eine Hand auf den Mund, ihr Blick irrte von einem Bild an der Wand zum nächsten, dann zu Nino.
    »Es tut mir leid, es tut mir so schrecklich leid. Ich wollte nicht … ich wollte dir ja antworten … ich wusste nicht …«
    Sie wollte noch etwas sagen, aber die Tür hatte sich bereits hinter dem Krankenpfleger geschlossen.
    *
    Um siebzehn Uhr fünfzig war Cyrille auf dem Weg zum Konferenzraum. Den ganzen Nachmittag über hatten sich ihre Gedanken im Kreis gedreht, die verschiedenen Fragen und Rätsel vermischten sich und bildeten in ihrem Kopf ein beängstigendes Durcheinander. Sie hatte Bauchschmerzen. Julien, der aufgetaucht und wieder verschwunden war, die Auseinandersetzung mit Nino, der Code auf den vier Patientenakten, der ihr völlig unerklärlich blieb, und die Entdeckung unter Hypnose, dass Arom möglicherweise die Lösung ihres Problems liefern könnte.
    Das Thema »Julien Daumas« wurde zunehmend komplex. Er wollte mit ihr sprechen, hatte aber offenbar Angst gehabt vor dem Typen im roten Blouson. Ihr Patient fühlte sich bedroht.
    Sie bemühte sich, die Sache mit Nino zu relativieren. Der Krankenpfleger war in seiner Eigenliebe getroffen, weil sie ihm nicht genügend Aufmerksamkeit geschenkt hatte. Da musste sie ihm in gewisser Weise recht geben. Sie hatte gespürt, dass er aus einem ihr unbekannten Grund hohe Ansprüche stellte, die sie nicht erfüllt hatte. Er verabscheute sie nicht, sonst hätte er ihr seine Informationen vorenthalten. Sie würde später darüber nachdenken, in diesem Augenblick hatte sie weder den Mut noch die Energie, die richtigen Worte für eine Versöhnung zu finden. Sie würde ihm abends eine Nachricht schicken.
    Was sie jedoch am meisten beschäftigte, war das Kürzel 4GR14. Wahrscheinlich war die Lösung ganz einfach, denn ihrer Erfahrung nach verkomplizierten Ärzte ihre Arbeit nicht unnötig, wenn es darum ging, Namen oder Bezeichnungen zu erfinden. Man musste vermutlich eher im Bereich »schlechte Witze« und »schwarzer Humor« suchen. Es sei denn, es handelte sich ganz einfach um ein Verwaltungskürzel des Sozialamtes, das ihr unbekannt war. Eher unwahrscheinlich, aber nicht ausgeschlossen.
    Ohne irgendjemandem zu begegnen, begab sie sich ein Stockwerk tiefer und schloss die Tür zum Konferenzraum auf.
    Zum Glück war er fensterlos, sie würde also ungestört sein. Sie schloss hinter sich ab und schaltete die Computeranlage ein. Der Wandbildschirm wurde hell. Cyrille hätte die Videokonferenz lieber in ihrem Büro mit einer einfachen Webcam durchgeführt, aber ihr Computer war nicht entsprechend ausgerüstet, was ihre Schuld war. Sie hatte bisher die Vorschläge des Informatikers immer wieder abgelehnt, der bereits seit einem Jahr bei ihrem Computer

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