Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Behandlungsfehler

Behandlungsfehler

Titel: Behandlungsfehler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Konradt
Vom Netzwerk:
sich der Eiterherd und verklebten die Organe, weil einen Tag später operiert wurde?
    Als Arzt wird man sagen müssen, hätte man früher operiert, hätte sich diese Komplikationen nicht in dem Maße ausgebildet. So konnten sich die Bakterien einen Tag länger ausbreiten und vermehren. Aber es stellt sich gleichzeitig die Gegenfrage: Wären
die Komplikationen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht eingetreten, wenn bereits am Dienstag operiert worden wäre? Diese Frage ist wohl kaum zu beantworten, da die individuelle Disposition des Mädchens und ihr Immunsystem auch noch eine entscheidende Rolle spielten.
    Als Schaden bleibt unstreitig für mich: ein Tag Schmerzen. Wie soll ich den beziffern? Ich konnte hier einen Vergleich in Höhe von 1000 Euro erzielen, der mit Sicherheit noch nicht einmal ansatzweise den Behandlungsverlauf zu kompensieren vermochte.
    Dieser Fall zeigt deutlich, was es für die Patienten bedeutet, dass es so schwierig ist, die Folgen eines Behandlungsfehlers zu belegen. Meine Mandantin erhielt Schadenersatz nur für einen kleinen Teil der Beschwerden. Aber die schweren Folgen der verzögerten Operation hätten eben vielleicht auch bei korrekter Behandlung auftreten können. Die Zweifel waren nicht auszuräumen. Das wirkte sich zugunsten des Arztes und seiner Haftpflichtversicherung aus, und führte dazu, dass diese nur für einen kleinen Teil des Schadens aufkam.
    Wenn ich Gespräche mit meinen Mandanten darüber führe, dass es oft problematisch ist, einen Schaden nachzuweisen, achte ich auf ihre Wortwahl. Oftmals erklären sie mir, sie gingen davon aus, dass der Verlauf besser gewesen wäre, die Heilung nicht so lang gedauert hätte und ihnen die Chance genommen worden sei, dass alles wieder so wird wie früher. Zuweilen glauben die Mandanten, »es hätte ganz schlimm kommen können«. Analysiert man diese Einschätzungen, so ist festzustellen, dass der Patient manchmal selbst nicht sicher ist, welcher Schaden denn nun eigentlich aufgrund des vermeintlichen Behandlungsfehlers entstanden ist. Nur in seltenen Fällen können diese »Selbsteinschätzungen« außer Acht gelassen werden, vielmehr weisen diese nicht nur den Weg zu meiner juristischen Einschätzung und damit zu sachgerechten Lösungen, sondern helfen auch, zu erklären, warum der Nachweis des Schadens schwierig zu erbringen sein wird. Das Bauchgefühl trügt selten. Daher besprechen wir Juristen gern Fälle mit Laien, um deren Meinung zu erfahren. Die laienhafte Sichtweise führt nicht immer, aber oft zum richtigen Ergebnis.

Da wackelten die Zähne
Schwierig wird es, wenn der Mandant den Beweis im Mund hat
    H elene Vielmann verkneift sich jetzt das Lachen. Sie hält die Lippen stets geschlossen, sogar beim Reden macht es den Eindruck, als sei sie bemüht, nicht die Zähne zu zeigen. Als ich sie das erste Mal sah, wunderte ich mich, denn der harte Zug, der dadurch in ihrem Gesicht entstand, passte so gar nicht zu der Frau, die da durch die Tür kam. Sie war schick, gepflegt, jemand, der auf seine Figur und seine Kleidung achtete, und warf einen offenen Blick auf die Welt um sich herum. Alles an ihr wirkte, als sei sie der Typ Frau, der Gespräche in Gang bringt. Nur ihr Mund tat es nicht.
    Schnell war klar, warum das so ist. Statt der eigenen Zähne trägt sie zu einem großen Teil schon Dritte, und die Idee, dass andere das sehen könnten, ist Frau Vielmann peinlich. »Omas tragen vielleicht ein Gebiss«, sagt sie. »Doch sogar bei denen wird das heutzutage immer seltener.« Und für eine attraktive Frau, die gerade 40 geworden ist, ist eine Zahnprothese ein Ding der Unmöglichkeit. Schon ein Kleinkind weiß heute, dass bei regelmäßiger Pflege die eigenen Zähne bis ins hohe Alter halten können. Frau Vielmann ist überzeugt, dass die Leute denken, sie sei daran wohl selber schuld. Aber ihrer Meinung nach liegt die Schuld bei ihrem Zahnarzt.
    In meiner Kanzlei nehmen die Zahnarztfälle zu. Das hängt zum Teil damit zusammen, dass Patienten häufig sehr hohe
Summen aus eigener Tasche dafür bezahlen müssen, um ihre Zähne behandeln zu lassen. Deswegen sind sie auch wenig tolerant, wenn die Behandlung nicht ganz rund läuft. Es hängt aber auch damit zusammen, dass die meisten Zahnärzte ihre Patienten viel zu wenig über die Risiken aufklären. Nur selten machen sie ihnen deutlich, dass sie zwar versuchen können, einen Zahn zum Beispiel durch eine Wurzelkanal-Behandlung zu retten, aber es eben auch gut sein kann,

Weitere Kostenlose Bücher