Bei Tag und Nacht
hattet recht, General Steigler«, bestätigte sie schließlich, »... mit der Müdigkeit. Und entschieden habe ich noch einen langen Abend vor mir. Sicherlich sollte ich jetzt nach Hause fahren.«
Steigler runzelte die Stirn, stand aber auf. »Wie Ihr wünscht, meine Dame!«
Er brachte sie nach Blauenhaus zurück, während er selbst in der Villa des Kaisers sein Quartier hatte. Zusammen stiegen sie die Stufen zum marmorgepflasterten Eingang hinauf. Unglücklicherweise stieß Elissa auf der Schwelle mit dem großen Mann zusammen, der gerade heraustrat. Sie schnappte nach Luft und taumelte, wobei sie sich an ein paar breiten Schultern festhielt, um nicht umzufallen. Große Hände legten sich hilfreich um ihre Taille. Sie spürte ihre solide Kraft und die Wärme seiner Finger durch ihr Kleid.
»C - Colonel Kingsland ...«
»Verzeihung, die Dame!« Er zwinkerte ihr zu und machte keine Anstalten, zur Seite zu treten. So, wie sie dastand, berührten ihre Brüste die Knöpfe seiner Uniformjacke, und sein Blick richtete sich nach unten, lag einige Augenblicke auf ihrem Ausschnitt und kehrte erst dann zu ihrem Gesicht zurück. Seine
Mundwinkel hoben sich abermals leicht, und ihr Herz veranstaltete das reinste Bockspringen in ihrer Brust.
Endlich machte er Platz, und der Mantel, der um seine Schultern hing, geriet in Schwingung. Zum ersten Mal warf er jetzt auch einen Blick auf ihren schmalen, dunklen Kavalier und richtete sich gerade auf, wobei auch seine Augen dunkel wurden.
»General Steigler!« Er versteifte sich, seine Haltung blieb absolut perfekt; aber sie hätte schwören können, daß plötzlich eine Spannung in ihm war, die sie vorher nicht gespürt hatte. »Es sind schon einige Jahre vergangen, seit unserem letzten Treffen. Hoffentlich steht alles zum besten!«
Steigler nickte. »Ich wußte nicht, daß Ihr hier in Blauenhaus wohnt, Colonel. Allerdings hatte ich gehört, daß Ihr wieder im Lande seid.«
»Wenn alles glattgeht, nur für kurze Zeit... bis die Verhandlungen abgeschlossen sind.«
»Gehe ich recht in der Annahme, daß Ihr Lady von Langen kennt?«
Wieder dieses amüsierte Lächeln! »Angenehmerweise hatte ich bereits das Vergnügen ... bei mehreren Anlässen.«
Elissa spürte, wie ihr die Hitze in die Wangen stieg. Der General runzelte die Stirn bei diesen Worten des Colonels und seine Hand legte sich besitzergreifend um ihre Taille.
»Ihr werdet uns jetzt entschuldigen müssen, Colonel. Lady von Langen fühlt sich ein wenig müde. Bestimmt wird eine Tasse Tee...«
»Ich bin Euch sehr dankbar für Eure Bemühungen, General«, unterbrach Elissa ihn und entwand sich aus seinem Griff. »Aber ich glaube, ich sollte mich besser hinlegen. Wie Ihr schon sagtet, bin ich etwas erschöpft. Vielen Dank für den angenehmen Nachmittag.« Dem Colonel warf sie ein säuerliches Lächeln zu. »Wenn die Herren mich bitte entschuldigen wollen .. .«
Der General verbeugte sich ausgiebig, und der Colonel nickte knapp. Sie entkam in ihr Zimmer, und sobald die Tür zu war, ließ sie sich von innen dagegen fallen. Ihr Herz schlug immer noch heftig, und es war ihr entschieden zu warm. Ihre Fingerspitzen kribbelten noch von der Berührung des rauhen Wollmantels, den der Colonel trug.
Gedanken wirbelten durch ihren Kopf, Bilder von der Nacht, in der sie unter seinen bebenden Küssen auf ihrer Haut erwacht war, Bilder von seinen großen Händen, die über ihren Körper glitten. Herrgott, warum nur konnte sie nicht aufhören, immer wieder daran zu denken?
Elissa atmete tief ein, um sich zu beruhigen und entfernte sich von der Tür. Sie wollte gerade zum Klingelzug gehen, um nach ihrer Zofe zu klingeln, als ein leises Klopfen ertönte und Sophie hereinkam.
»Verzeiht, Mylady, aber der Lakai hat gerade eine Nachricht gebracht. Sie ist von diesem attraktiven Colonel Kingsland. Er sagte, ich solle sie Euch sofort überbringen.«
Wolvermont. Würde der Mann sie je in Ruhe lassen? Elissa nahm die Nachricht leicht wackelig entgegen. »Danke.« Sie öffnete den Umschlag und überflog den Text:
Colonel Kingsland, Baron Wolvermont, bittet um das Vergnügen Eurer Gesellschaft zum Abendessen. Heute oder an einem anderen Abend. Bitte sagt ja, Mylady!
Ein heißer Schauder überrieselte sie. Er wollte sie sehen. Es war Wahnsinn, völlig außer Frage. Der Mann hatte eine gefährliche Wirkung auf sie. Sie konnte nicht denken in seiner Nähe, vermochte nicht zu reden, geriet in Atemnot. Ihre kokette Rolle löste sich regelrecht in
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