Bei Tag und Nacht
männliche Stimme ertönte.
»Ich fürchte, der Botschafter ist noch nicht zurück . .. aber wie ich sehe, wißt Ihr das ja selbst.«
»A-Adrian!«
»So so, jetzt benutzt Ihr also wieder meinen Vornamen. Seltsam, daß Ihr das vor allem dann zu tun scheint, wenn Ihr irgendwie in Gefahr seid.«
»Gefahr?« Sie hob das Kinn. »In Gefahr bin ich wohl kaum. Ich wollte nur .. . nur ...«
»Ja ...?«
»Wenn Ihr es unbedingt wissen müßt, ich hatte eine eher private Nachricht für den Botschafter. Ich habe sie auf seinem Schreibtisch hinterlegt. Das wird er ja wohl kaum beunruhigend finden.«
»Aha, also eine Nachricht, wie? Sehen wir doch einfach mal nach.«
Sie schnappte nach Luft, als er heftig ihren Arm ergriff, die Tür öffnete und sie hineinschob. »Wo also ist dieses Blatt?«
Ihr brach der Schweiß aus. »Also gut, ich - ich habe jetzt doch keine Nachricht hinterlassen. Zuerst wollte ich es, aber ich ... das Tintenfaß war leer, und je länger ich darüber nachdachte, um so klarer wurde mir, daß die Idee sowieso nicht paßte. Ich wollte hinausgehen, sah Euch aber den Flur entlangkommen. Das war mir peinlich, also habe ich mich schnell wieder zurückgezogen.«
Adrian beobachtete, wie die Gräfin nervös auf ihrer Unterlippe kaute. Dann ging er hinüber zu dem kleinen Schreibtisch. Es war Kanzleipapier darin, eine Schreibfeder und ein Sandstreuer, aber das Tintenfaß war tatsächlich leer.
Er entspannte sich etwas. »Wir gehen lieber hinaus, bevor uns jemand entdeckt. Vermutlich würdet Ihr nur ungern noch weiteren Personen erklären, was Ihr im Schlafzimmer des Botschafters treibt.«
Sie nickte. Ihm fiel auf, daß ihre Hände zitterten. Was, zum Teufel, mochte sie Vorhaben ? Diese Frau war wirklich rätselhaft. Er hätte schwören können, daß ihr Interesse an Pettigru über Freundschaft nicht hinausging - doch vielleicht hatte er sich getäuscht.
Oder war es etwas anderes?
Der Gedanke, der ihm jetzt kam, gefiel ihm nicht. Pettigru und Steigler - zwei eigentlich völlig verschiedene Männer, doch eines hatten sie gemeinsam: eine außergewöhnlich mächtige Stellung und Zugang zu den Staatskanzleien.
Auf dem Weg den Flur hinunter zu ihrem Zimmer schaute er Elissa an. Wahrscheinlich war es nur Zufall. Zur Zeit gab es eine Menge hochrangige Persönlichkeiten in Wien. Pettigru und Steigler gehörten zweifellos dazu, doch das bedeutete nicht, daß sie unbedingt hinter ihren Geheimnissen her war.
Trotzdem wurde er das Gefühl nicht los, daß sie gelogen hatte.
»Heute abend wird eine Oper aufgeführt«, sagte er, als sie ihre Tür erreicht hatten. »Ich möchte, daß Ihr mit mir geht.« Das war keine freundliche Einladung, sondern eine unmißverständliche Aufforderung. Nach dem Vorfall im Flur würde sie ihn besänftigen wollen, und wenn sie ein schlechtes Gewissen hatte, würde sie Zusagen.
»Ich - ich habe schon eine Verabredung.«
Adrian hob eine Augenbraue, war aber innerlich erleichtert. »Sagt sie ab«, forderte er sie auf, um sie noch etwas mehr zu bedrängen.
Ihr Blick wanderte den Flur hinunter. »Ja . ..«, flüsterte sie. »Das ginge vielleicht.«
Adrians Magen zog sich zusammen. Hatte sie wirklich solche Angst, ertappt zu werden? Er nickte kurz. »Ich erwarte Euch um sieben Uhr in der Halle.« Damit verabschiedete er sich.
Als er seine Tür erreichte, glaubte er schon wieder, sich getäuscht zu haben. Sie hatte wohl doch nur eine Nachricht hinterlassen wollen. Elissa war jung und eigenwillig, deswegen nicht so auf Schicklichkeit fixiert wie andere. Er hatte den Moment ihrer Verwirrung ausgenutzt, um sie in die Enge zu treiben - konnte allerdings nicht behaupten, daß ihm das jetzt leid tat.
Ein kleines Lächeln spielte um seine Lippen. Was machte es schon, warum sie zugestimmt hatte? Er umwarb sie doch hartnäckig, und nun war er erfolgreich. Der Abend mußte unbedingt ein Spaß für sie werden, und von da ab würde er weitersehen.
Elissa wanderte am Fußende ihres Bettes auf und ab. Sie hatte General Steigler vorgelogen, eine ältere Verabredung vergessen zu haben, um ihre plötzliche Absage zu erklären. Allen hatte sie eine falsche Identität vorgegaukelt und Adrian etwas weisgemacht, warum sie in Pettigrus Schlafzimmer gewesen war.
Die Lügen wurden immer verschlungener und die Gefahr der Entdeckung zeichnete sich ab; aber sie hatte keine andere Wahl.
Sie sah auf die Uhr über dem Kamin, es war schon spät. Und obwohl sie sich vor dem Abend mit General Steigler gefürchtet
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