Bei Tag und Nacht
begeben, vor Sorge um Elissa aber noch nicht einschlafen können. So setzte sie sich schließlich an den Kamin und verbrachte die Zeit mit Warten. Obendrein lautete ihre Anordnung, man solle sie informieren, egal um welche Zeit die Gräfin einträfe.
Ihre Zofe Gretchen öffnete die Tür. »Die Gräfin ist in Sicherheit, Euer Gnaden. Sie war gestürzt, aber Lord Wolvermont hat sie gefunden. In der Schutzhütte warteten sie das Gewitter ab.
Vor Erleichterung klatschte sie in die Hände. Wenigstens war sie zu Hause und nicht mehr in Gefahr. »Geh und sieh nach ihr, Gretchen. Vielleicht braucht sie noch irgend etwas, bevor sie schlafen geht. Sage ihr, ich wäre froh, sie wieder hier zu haben, und würde gleich morgen früh nach ihr sehen.«
»Jawohl, Euer Gnaden!« Als die Zofe fort war, spürte Marie, wie sie sich endlich entspannte. Dankbar legte sie sich hin. Es war doch richtig gewesen, dem Colonel die Suche nach Elissa zu übertragen. Sie hatte die Besorgnis in den grünen Augen des Mannes gesehen und gewußt, daß er nicht aufgeben würde, bevor er sie gefunden hatte.
Elissa war zurück, aber sie machte sich immer noch Gedanken um die junge Frau. Offensichtlich fühlte sie sich vom Colonel sehr angezogen, und Marie kannte seinen Ruf. Hoffentlich wahrte die Tochter ihrer alten Freundin genügend Distanz zu einem Mann wie dem Baron - aber ganz sicher war sie sich da nicht.
Elissa lag noch lange wach. Ihre Brüste kribbelten und fühlten sich seltsam geschwollen an. Ihr Körper klopfte schmerzhaft, wo die drängende Härte des Colonels sie beinah entzweigerissen hatte. Sie verzog das Gesicht, als sie daran dachte, schämte sich für das, was sie getan hatte und wie es ausgegangen war. Zudem spürte sie, so ungern sie es zugab, klare Enttäuschung, daß es so schrecklich unangenehm war, mit einem Mann zu schlafen.
Sie hatte einen schlimmen Fehler begangen und den Colonel unterschätzt. Zu spät bemerkte sie, daß er sich nicht so leicht täuschen ließ, wie sie geglaubt hatte. Selbst die Herzogin würde ihn kaum umstimmen können. Außerdem hatte sie ihr sowieso schon zu viel zugemutet und wollte sie nicht noch tiefer in ihr Lügennetz verstricken.
Elissa warf sich unruhig herum, erwachte ständig und schlief nur mit Mühe wieder ein. Der Morgen kam schließlich, doch das Licht rief einen pochenden Kopfschmerz hinter ihren Augen hervor. Das dumpfe Ziehen zwischen ihren Beinen hatte nun etwas nachgelassen und schien nur noch eine bittere Erinnerung an ihre Dummheit. Sie war Sophie dankbar, als sie heute später kam und die Anordnung der Herzogin überbrachte, den Tag über im Bett zu bleiben.
»Ihre Gnaden wird in einer halben Stunde vorbeikommen«, richtete Sophie aus. »Sie möchte sich persönlich versichern, daß der Sturz keine schlimmen Nachwirkungen hat.«
Die junge Gräfin seufzte. Am liebsten wäre es ihr gewesen, niemanden sehen zu müssen, nie wieder jemanden zu sehen -besonders nicht den Colonel. Eigentlich wollte sie sich ganz allein in ihrem Zimmer dem Selbstmitleid hingeben.
Doch statt dessen richtete sie sich mühsam auf. »Gib mir meinen Morgenrock, Sophie. Ich möchte der Herzogin nicht unbekleidet begegnen.«
Sophie brachte den gesteppten blauen Satinmorgenrock, und Elissa zog ihn sich über das Nachthemd. Dann setzte sie sich vor den Spiegel, goß Wasser aus der Porzellankanne in die Schüssel, wusch sich das Gesicht und bürstete sich das Haar.
»Viel besser, Mylady!« Sophie lächelte. »Ihre Gnaden wird sich freuen zu sehen, daß Ihr beinahe wiederhergestellt seid.«
Beinahe. Aber eben doch nicht ganz. Sie bezweifelte, ob ihr das je wieder gelingen würde angesichts der Tatsache, daß sie jedesmal Adrians Hände auf ihrem Körper spürte, wenn sie die Augen schloß. Da waren seine tiefen, plündernden Küsse und das Gefühl seines Mundes auf ihren Brüsten. Es schwindelte sie, als sie daran dachte. Am Anfang war ihr die Liebe herrlich erschienen. Warum hatte es nicht bei den Küssen und den Berührungen bleiben können? Wie kam es, daß sich ein so wichtiger Teil des Lebens als bittere Enttäuschung herausstellte?
Die Herzogin klopfte, und Sophie öffnete ihr; dann ging sie hinunter, um ein paar Erfrischungen zu holen.
»Ihr solltet im Bett bleiben«, riet die Herzogin und betrachtete den Morgenrock und den Hocker, auf dem Elissa gesessen hatte. »Ich erwarte, daß Ihr den Rest des Tages brav unter Eurer Decke verbringt.«
»Ja, Euer Gnaden!«
»Aber Ihr seht nicht schlecht aus.
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