Bei Tag und Nacht
bekommen.« Er sah sich bei den emsig Beschäftigten um. »Hier wirst du sicher sein, bis ich zurückkomme; aber rühre dich bitte nicht von der Stelle. Du sollst nicht in Schwierigkeiten geraten.«
Sie spürte einen Anflug von Ärger. Wußte er nicht, daß Schwierigkeiten das letzte war, worauf sie Wert legte? Er sagte noch etwas, aber sie hörte nicht recht zu, weil sie derart beeindruckt war von den Geräuschen und Eindrücken der Szenerie. Elissa betrachtete die Frauen genauer, von denen einige auffällig gekleidet waren, Rouge auf den Wangen und den Lippen trugen. Alle befanden sich offensichtlich nahe an der Erschöpfung.
»Ich bin so bald wie möglich zurück«, hörte sie ihn sagen, dann lenkte er seinen Hengst in Richtung Burg, wo der Erzherzog seine Zelte aufgeschlagen hatte.
Elissa tränkte die kleine Stute, als er fort war, und versuchte mit mehreren Genossinnen zu reden, die allerdings nur einsilbig antworteten und nicht weiter auf sie achteten. Sie wurde unruhig, weil sie weiter nichts zu tun hatte, und sehnte sich von Minute zu Minute mehr danach, ihrem Bruder zu finden. Eine Frage jagte die andere; wo mochte er wohl sein; war er überhaupt hier; hielt er sich wirklich bei der Leichten Reiterei auf?
Beherzt wandte sie sich an eine der Frauen. »Entschuldigt, wenn ich Euch anspreche, aber ich suche einen Soldaten. Könnt Ihr mir vielleicht helfen?«
»Ihr sucht nach einem Soldaten?« schnappte die Frau zurück. »Ich kenn’ doch nich’ jeden Mann im Lager.« Sie ließ die knochigen Schultern sinken, »’türlich hab’ ich einige kennengelernt; aber in diesem Haufen sind die kaum ’n Tropfen auf’n heißen Stein.« Sie wollte sich trollen, aber Elissa griff nach ihrem Arm.
»Er ist bei der Vierten Leichten Reiterei. Ich habe dahinten ein paar dunkelgrüne Uniformen gesehen, als wir kamen. Könnten sie das sein?«
Sie nickte. »Dunkelgrün hat was mit den Vierten zu tun.«
»Aber hier sind so viele, ich weiß nicht mehr genau, wo ich sie gesehen habe.«
Die ältere Frau knurrte irgendeine Antwort und deutete auf einen Bereich des Lagers im Meer der Zelte Richtung Südwesten. »’n paar von der Leichten Reiterei sind da drüben. Andere woanders. Da müßt Ihr fragen.« Die Frau griff sich einen Korb frisch gewaschener Wäsche und ging.
Elissa schaute nach Südwesten und fragte sich, ob sie es wagen sollte, die Stelle zu verlassen, wo Adrian sie abgesetzt hatte. Aber so weit war es eigentlich nicht. Bis er von der Burg zurückkäme, hatte sie bestimmt genug Zeit, dort drüben die Soldaten nach ihrem Bruder zu fragen und wieder da zu sein. Doch sicherheitshalber ging sie dann doch zu einer weiteren Person, die in einem riesigen Eisenkessel über einem Kochfeuer rührte. »Entschuldigt, aber könntet Ihr mir vielleicht einen Gefallen tun?«
Die Frau betrachtete sie mißtrauisch. »Ihr seid die, die da gerade mit dem noblen Engländer gekommen ist...«
Sie lächelte. »Colonel Kingsland, genau! Ich möchte Euch bitten - falls er in der Zwischenzeit zurückkommt -, ihm auszurichten, daß ich zum Lager der Leichten Reiterei gegangen bin! Zu denen da drüben.« Sie deutete in die Ferne. »Sagt ihm, daß ich nicht lange fort sein werde.«
Die Frau tauchte einen großen Holzlöffel in den blubbernden Kessel und klopfte ihn dann auf den Rand, damit er abtropfte. »Schon recht.« Sie grinste mit einer großen Lücke in den Schneidezähnen. »Den solltet Ihr aber nich’ aus den Augen lassen. Die Frauen werd’n sich kloppen, um ihn für sich zu kriegen!«
Elissa spürte einen Stich in der Brust. Selbst hier wurde sie daran erinnert, wie leicht Adrian Eroberungen machen konnte. Sie dachte an Cecily Kainz und womöglich Dutzende von anderen, obwohl sie sich wegen der zerrauften Comtessen ihrer Umgebung weniger Sorgen machte.
»Danke für die Warnung. Und danke für die Hilfe!« Elissa machte sich zielstrebig auf den Weg durch das endlose Gewimmel, merkte sich aber genau, wohin sie ging, um den Rückweg zu dem Grüppchen auch wieder zu finden.
Je weiter sie sich entfernte, um so schneller ging sie, weil ihr jetzt ganz andere Dinge an den Männern auffielen. Bisher hatte sie nur ihre Leiden und ihre Erschöpfung gesehen; doch jetzt bemerkte sie, daß sie eine zusammengewürfelte Schar von schrägen Vögeln und Trunkenbolden waren, Männer wie die, die sie in den Schenken angeglotzt hatten. Es gab Türken und Ungarn, Kroaten, Slowenen und Deutsche, lauter wilde Gesellen.
Erhebliche Unruhe
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