Bei Tag und Nacht
unsanft auf den Hengst plazierte und dann selbst aufsaß.
Sie wollte ihn bitten, sie ins Lager der Leichten Reiterei zu bringen - aber seine starre Haltung und die heftige Art, mit der er an den Zügeln riß, machten ihr klar, daß das nicht der richtige Zeitpunkt war.
Er erreichte einen freien Platz seitlich des Lagers, hielt an und schwang ein Bein vom Sattel, um abzusteigen. Mit kräftigem Griff um ihre Taille zog er sie herunter und stellte sie auf die Füße.
»Ich habe dir doch gesagt, du solltest dort bleiben.« Sein Gesicht war rot, und seine Augen funkelten wie grüne Flammen, als er sie genauso aufs Korn nahm wie soeben den Türken.
Elissa schluckte schwer. »Ich - ich wollte nicht weit Weggehen. Ganz in der Nähe befand sich eine Gruppe von Kavalleristen, die wollte ich nach meinem Bruder fragen.«
»Aber bis zu denen bist du nicht vorgedrungen, stimmt’s? Du kannst überhaupt von Glück sagen, daß du dich so weit durchgeschlagen hast.«
»Aber ich ...«
»Hast du denn immer noch nicht verstanden? Diese Männer kommen direkt aus der Schlacht. Ihr Blut tobt noch, und jede Frau in ihrer Reichweite ist ein willkommenes Opfer. Besonders die, die schutzlos durchs Lager wandert. Sie erwarten dabei ja nicht gerade eine Gräfin!«
»Ich - ich bin ja keine richtige Gräfin.«
Seine Augen quollen über. »Nein, bist du nicht, und selbst wenn, wäre es diesen Männern gleichgültig.«
Bedrückt schaute sie auf die Spitzen ihrer Stiefel hinunter. »Ich weiß ja jetzt, daß du recht hast. Es tut mir leid. Aber für mich ist das alles noch so neu. Man konnte nicht gleich sehen, was das hier für Männer sind.«
Einen Moment lang wurde sein harter Blick weicher. »Verdammt, deinetwegen habe ich eine Höllenangst ausgestanden. Wenn deine Freundin, die Waschfrau, mir nicht gesagt hätte, wohin du gegangen bist, wäre der Teufel weiß was passiert.« Er packte sie an den Schultern. »Ich sollte dich übers Knie legen.«
Erschrocken hielt sie den Mund. Sie war zu dankbar, daß er im letzten Augenblick aufgetaucht war.
Er betrachtete die blauen Flecken an ihren Armen, den Schmutz und die Blätter in ihrem Haar und biß noch einmal die Zähne zusammen. »Das hier ist meine Welt, Elissa. Hier kannst du dich auf niemanden verlassen außer auf mich. Wenn du überleben willst, mußt du mir absolut vertrauen!«
Elissa sah nickend zu ihm auf. »Ich habe ja schon gesagt, mir ist das hier alles neu - aber dumm bin ich nicht. Ich mache denselben Fehler nicht zweimal.«
»Du hast versprochen, mir zu gehorchen.«
»Das wollte ich auch. Aber die Gefahr habe ich einfach unterschätzt. Von jetzt an tue ich, was du sagst.«
Seine Miene wurde wieder milder. »Du bist doch nicht irgendwo verletzt, oder?«
»Nur mein Stolz.« Sie warf ihm ein schwaches Lächeln zu. »Wenigstens bist du rechtzeitig erschienen, um wenigstens die Reste davon zu bewahren.«
Einer seiner Mundwinkel hob sich. »Vielleicht wird dir diese Lektion schlimmere Erlebnisse ersparen.«
Ihr wurde schwindelig, und sie erschauerte. Sie war nicht ganz sicher, was er damit meinte, aber mittlerweile vertraute sie ihm wirklich! Dies war seine Welt, und in den folgenden Tagen mußte sie sich seiner Autorität beugen. Das fiel ihr nicht leicht, aber wenn sie den Falken fangen wollten, blieb ihr nichts anderes übrig.
Er hob sie wieder aufs Pferd, diesmal etwas sanfter.
»Hast du mit dem Erzherzog gesprochen?« fragte sie und setzte gleich hinzu: »Wohin reiten wir?«
»Ich habe mit ihm gesprochen, ja. Er hatte schon von dem Verräter gehört. Der Gedanke, daß der Spion unter seinen eigenen Leuten sein könnte, gefiel ihm gar nicht; aber er nimmt jede Hilfe von uns gerne an. Jetzt holen wir erst mal deine Stute und begeben uns dann zu einem Regiment von Kürassieren, die zufällig unter dem Kommando von General Klammer stehen.« Grinsend fuhr er fort: »Angenehmerweise hat man mich beauftragt, ihm und seinem Adjutanten Major Becker in jeder Weise zur Hand zu gehen.«
Erregung erfaßte sie. Ihr Herzschlag wurde schneller. »Welch ein Glück, daß der Erzherzog unsere Pläne gutheißt!«
»Wir werden mit einem Offizierszelt ausgestattet und was wir sonst an Ausrüstung brauchen, und einen Leutnant namens Helm bekomme ich als Adjutanten.«
Elissa schaute noch einmal kläglich zurück zu den grünen Uniformen. »Und mein Bruder?«
»Sobald wir uns eingerichtet haben, bringe ich dich zu ihm.« Ein trockenes Lächeln erschien auf seinen Lippen. »Bei den
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