Bei Tränen Mord: Roman (German Edition)
Schober,
wir haben auf der Anrufliste von Harko Schaaf und auf der Liste des Malermeisters
Müller Ihre Nummer gefunden. Deshalb muss ich Sie befragen, ist reine Routine.«
»Nennen
Sie mich Lucy.«
Irritiert
hält er inne und notiert etwas. Lucy? »Können Sie sich an Ihre letzten Telefonate
mit den Verstorbenen erinnern? Das eine fand statt am …« Er kratzt sich am Kopf
und blättert in seinem Block zurück, runzelt die Stirn. »Verdammt, ich kann das
nicht lesen.« Er hält mir die Seite hin. »Sie?«
Ich sehe
ein krakeliges Muster, das wohl ›Müller‹ heißen soll, und darunter ein Datum. »2.
Mai.«
»Genau.«
Er schlägt eine andere Seite im Block auf. »Und das andere am 27. Mai, vor zwei
Wochen. Wissen Sie noch, worum es in den Gesprächen ging?«
»Es geht
immer darum, den Kunden etwas zu verkaufen. Bei Malermeister Müller war es ein edler
Wein, den er aber nicht mehr will … wollte. Und bei Harko Schaaf geht es um …«,
ich erröte, »na ja, erotische Spielsachen.«
Kommissar
Kraus betrachtet mich einen Moment nachdenklich. Er kaut auf seinem Stift herum
und macht sich dann Notizen. »Ist Ihnen bei den Gesprächen etwas aufgefallen?«
»Ich dachte,
der Malermeister sei vom Gerüst gestürzt? Wieso ermitteln Sie eigentlich in seinem
Fall?«
Er fährt
sich mit der Hand durch das Haar, worauf eine widerspenstige Strähne in seine Stirn
fällt. Ich suche einen Ring an seiner Hand. Er trägt keinen! Sollte er tatsächlich
unverheiratet sein?
»Wegen der
Übereinstimmung der Telefonnummer. Wir müssen jeder Spur nachgehen.« In seiner Stimme
schwingt Langeweile mit, wenn ich mich nicht sehr täusche. Und richtig, nach kurzem
Zögern fügt er an: »Ich bin der Meinung, dass es Unfälle waren. Aber Frau Schaaf
glaubt an einen Mord, und auch im Fall des Malermeisters ist ein Restzweifel geblieben.«
»Und was
habe ich damit zu tun?«
»Nichts.
Hoffe ich. Zurück zu meiner Frage: Ist Ihnen bei den Gesprächen etwas aufgefallen?«
»Nein. Beide
gehörten zu den unangenehmeren Kunden. Aber das ist bekannt.«
»Unangenehme
Kunden?« Er kritzelt weitere Symbole auf seinen Block.
»Ja.« Ich
versuche, durch die Ritzen der Jalousie zu erkennen, ob Dürrbier an der Tür lauscht.
Der Kommissar sieht mich abwartend an. Solche Augen sollten polizeilich verboten
werden, wenn sie im Dienst sind.
»Wir alle
haben gelegentlich mit Kunden zu tun, die sehr … unfreundlich reagieren. Manche
von ihnen werden beleidigend. Es ist nicht schön, solche Menschen am Telefon zu
haben.«
Er nickt.
»Ja, ich kann es mir vorstellen. Und Müller und Schaaf gehörten zu diesen Kunden?«
»Genau.
Beide wurden regelrecht ausfallend, wenn man sie anrief.«
»Warum werden
sie dann nicht einfach aus den Listen gestrichen?«
Ich verschränke
die Arme. »Unser Chef hat einen ganz bestimmten Ehrgeiz: Er will, dass wir nach
und nach auch die Horrorkunden überzeugen.«
Frank Kraus
lehnt sich mit dem Oberschenkel gegen Dürris Schreibtisch. Beim Anblick des Muskels,
der sich unter dem Stoff seiner Jeans abzeichnet, fließt meine ganze Konzentration
in die unteren Körperregionen.
Reiß dich
zusammen, Lucy, das ist ja nur peinlich!
»Sind die
beiden in den genannten Telefonaten denn besonders ausfallend geworden?«
»Tja … Malermeister
Müller stöhnte mir Obszönitäten ins Ohr …« Ich erröte. Wenn der süße Kommissar mir
derartiges ins Ohr stöhnen würde, hätte es auf mich eine ganz andere Wirkung.
Er sieht
mich an, als denke er darüber nach, ob er den Wortlaut der Obszönitäten notieren
muss, schüttelt dann leicht den Kopf. Mir fällt auf, dass er mich, seit wir im Büro
stehen, nicht ein einziges Mal wie ein Mann angesehen hat, sondern nur wie ein Kommissar.
Plötzlich fällt es mir wie Schuppen von den Augen. Heißt es nicht immer, die attraktivsten
Testosteronschleudern seien schwul? Ob Frank Kraus, ein wahrgewordener Mädchen-,
Frauen-, Schwiegermutter- und Omatraum, zu der Fraktion der Homos gehört? Das muss
ich sofort herausfinden. Noch bevor mein Kopf Einhalt gebieten kann, signalisiert
mein Unterleib mir, mich in aufreizender Pose auf den Dürri-Schreibtisch zu setzen
und dabei mein kaum vorhandenes Dekolleté herausfordernd ins rechte Licht zu rücken.
Frank Kraus reagiert nicht darauf, sondern macht lediglich einen winzigen Schritt
zur Seite. Nun gut, gestehe ich mir zähneknirschend ein, mein Outfit trägt nicht
gerade zu einem sexy Auftreten bei. Ich setze mich aufrecht hin und schlage die
Beine
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