Beinah auf den ersten Blick: Roman (German Edition)
einzulassen. Der sich jetzt – was irgendwie lästig war – in Abbie verliebt hatte.
Und möglicherweise an einer gebrochenen Nase litt.
Da sah man wieder mal …
»Ich konnte nicht dort bleiben. Ich konnte einfach nicht.« Verzweifelt wiederholte sich Abbie immer wieder von neuem. »Nicht, wo die beiden sich gegen mich verbündeten. O ja, Georgias Traum ist wahr geworden. Ihr Wunsch hat sich erfüllt. Von jetzt an gibt es nur noch sie und ihren Dad und keine jammernde, alte Frau mehr, die ihr in die Parade fährt. Weißt du, sie hat ganz bestimmt den Zettel hinter Toms Scheibenwischer geklemmt. Ich habe mich so bemüht, nett zu ihr zu sein, und das ist der Dank dafür. Wenn ich nur daran denke, dass ich ihr vertraut habe!«
Es ging auf Mitternacht. Cleo war nach einem langen Tag völlig erledigt. »Aber was, wenn sie es nicht war?«
»Wer soll es denn sonst gewesen sein? Des hat es keiner Menschenseele erzählt. Und ich auch nicht. Weil ich wusste, dass wir nur so sicher sein würden.«
»Vielleicht hat euch jemand gesehen.«
»Aber das ist es ja, uns hat keiner gesehen. Das ist schon deshalb unmöglich, weil es nichts zu sehen gab!«
Darauf gab es keine Antwort. Cleo meinte: »Tja, dann weiß ich auch nicht, wie das passieren konnte. Aber ich bin sicher, Tom kriegt sich wieder ein. Du weißt doch, wie sehr er dich liebt.«
»Ich habe ihm nichts von Des erzählt, weil ich ihm nicht weh tun wollte. Und dadurch habe ich die Sache eine Million Mal schlimmer gemacht.« Tränen strömten aus Abbies Augen, kullerten auf ihren Unterarm. »Er glaubt mir nicht mehr. Sein Vertrauen ist futsch. Und du weißt doch, wie stolz Tom ist. O Gott, tut mir leid …«
»Ist schon gut. Lass mich das machen.« Cleo beugte sich vor und sammelte die Scherben ihrer Lieblingsteetasse wieder ein. Sie kniete in einer Pfütze aus Tee und schnitt sich den Finger an einem Stück Porzellan. Blut floss aus der Schnittwunde und tropfte auf den Boden.
»Tut mir leid, ich helfe dir beim Saubermachen …«
»Nein, ist schon gut, ehrlich.«
»Ich kann nicht glauben, dass das passiert ist.«
»Abbie, es ist nur eine Tasse.«
»Das meine ich doch nicht. Ich spreche von meinem Leben. Mein dummes, hoffnungsloses L-leben …«
Gleich Mitternacht. Cleo zog eine Handvoll Zellstofftücher aus der Schachtel, durch die Abbie sich hindurchschnäuzte, und wischte den Tee auf. Es würde eine lange, lange Nacht werden.
42.
Kapitel
Es war die letzte Vorstellung von Beach Party! im Hippodrom, und der Casey-Kruger-Fanclub war an diesem Abend vollzählig erschienen. Insgesamt etwas über fünfzig Personen, und einige von ihnen waren fraglos merkwürdig zu nennen. Jerseystoffe, wohin man schaute. Übergewichtige Körper, die sich in etwas zu enge Ich liebe Casey!- T-Shirts gezwängt hatten. Darunter sogar ein paar Männer.
Wenigstens regnete es nicht. Es war ein schöner Abend. Das war auch gut so, weil die Show vor fünfzig Minuten geendet hatte und sie immer noch mit ihren Fotoapparaten und Autogrammbüchern darauf warteten, dass ihr Held aus dem Theater kam. Es war wohl eine denkwürdige Vorstellung gewesen.
Cleo musste ebenfalls warten, aber sie wurde wenigstens dafür bezahlt. Sie lehnte sich auf dem Fahrersitz zurück und checkte ihr Handy. Vorhin hatte sie Abbie bereits angerufen, um ihr zu sagen, dass sie vor Mitternacht nicht zurück sein würde. Zuvor hatte sie mit Tom telefoniert und herausgefunden, dass er nicht in der Stimmung war, seiner Frau ihre Beinahe-aber-nicht-ganz-Affäre mit einem anderen Mann zu vergeben. Er hatte es auch nicht gut aufgenommen, sich zum Thema Liebe und Vertrauen einen Vortrag (seine Wortwahl) von jemand anhören zu müssen, der in seinem ganzen Leben noch keine einzige richtige Beziehung geführt hatte.
Das hatte Cleo geärgert, aber sie hatte sich stoisch beherrscht und war nicht pampig geworden. Abgesehen von allem anderen hatte er ja nicht ganz unrecht. Und außerdem war er gerade sehr verletzt, fühlte sich grausam hintergangen und im Stich gelassen. Denn je größer die Liebe, desto furchtbarer das Empfinden, betrogen worden zu sein. Darum hatte es sie emotional auch nicht annähernd so mitgenommen, als sie Wills Täuschung entdeckt hatte.
Tja, sie würde Tom erst mal in Ruhe lassen. Aber sie spielte dennoch rastlos mit ihrem Handy herum, denn als gestern die Bombe bezüglich Abbie und Tom platzte, hatte sie das in vielerlei Hinsicht tief berührt. Ihre Beziehung war für sie immer sicher und
Weitere Kostenlose Bücher