Bekehrung: Ein Eifel-Krimi (Eifelkrimis) (German Edition)
Die wiederhergestellte Ordnung missfällt mir. Es geht mich zwar überhaupt nichts mehr an, wenn Marcel im leeren Nebenzimmer auch noch seine Hosen auf die leere Schwesterntracht gelegt hätte, aber es wäre von beiden höchst unprofessionell gewesen. Und gefährlich. Schließlich ist ein Killer hinter Claire Maraite her. Da heißt es wachsam sein.
»Wie bist du den Zerberus losgeworden?«, frage ich, ihn misstrauisch musternd, als er sich wieder auf meiner Bettkante niederlässt. Er schiebt sich ein mit Senf und Aprikosenmarmelade gekröntes Käse-Mango-Häppchen in den Mund und fährt sich durch das frisch gekämmte Haar.
»Den was?«
»Den Höllenhund«, informiert ihn Claire. »Der bewacht den Eingang zur Unterwelt, damit kein Toter raus- und kein Lebender reinkommt.«
»Deine neue Modeberaterin«, setze ich spitz hinzu.
»Zerberus«, wiederholt er kopfschüttelnd und klopft mir auf den Oberschenkel. »Da kenne ich aber einen Spürhund, der bissiger ist. «
Die nette Kati habe ihm versprochen, wie ein Luchs aufzupassen, dass sich kein Unbefugter reinschleiche. Wenn sie aber den Eingang zur Station im Auge behalte, könne sie nicht gleichzeitig auf den Stuhl vor der Tür achten.
»Und wenn sie nachsehen kommt?«, fragt Claire.
»Dann schmeißt sie mich eben wieder raus. Und jetzt möchte ich alles über diese Sekte wissen.«
»Alles ist sehr viel«, antwortet Claire, »und ich weiß darüber nur sehr wenig. Mein Vater sagte, der Begriff Sekte treffe auf diese Gruppe nicht zu, da sie sich weder von einer Religion abgespalten habe noch irgendeine Heilslehre predige.«
»Sondern?«, fragt Marcel.
»Sondern alles infrage stellt und bekämpft. Die ganze Welt, so wie wir sie kennen.«
Sie holt tief Luft und rattert dann mit monotoner Stimme ein paar Sätze runter, die wie auswendig gelernt erscheinen und es wohl auch sind.
Was ich höre, erscheint mir wie eine Häppchen-Parade aus Allgemeinplätzchen, mit wissenschaftlichem Analogkäse auf Mythenbrei belegt und mit grotesk zugeschnittenen bunten Fantasystreifen garniert.
Sämtliche Völker, referiert Claire, kennen Legenden von der Unsterblichkeit. Doch nach dem Gesetz der Statik werde alles, was nicht wirklich von Dauer oder unsterblich ist, früher oder später einstürzen. Es sei sinnlos zu versuchen, den Grenzen der menschlichen Existenz, der Hinfälligkeit und der Unbeständigkeit etwas entgegenzusetzen. Denn dabei beziehe man sich doch wieder nur auf Vorhandenes und müsse unweigerlich scheitern. Jeder, der anstrebe, das Universum mittels Wissenschaft zu erkennen, beschränke sich auf das Abbild der Realität und nutze Voraussetzungen, um Ergebnisse zu erreichen und deren Wiederholbarkeit zu garantieren. Die Gruppe, der sich ihr Vater angeschlossen hatte, lehne aber solche festgelegten Parameter ab. Die daraus errichteten Gedankengebäude würden nämlich ohne immer weitere Brücken, Dimensionen, Strings oder Teilchen einfach in sich zusammenfallen. Eine Chance hat nur, wer die Zeit nicht länger als unwandelbare Einbahnstraße begreife. Diejenigen, denen das gelinge, seien in der Lage, ihren Stoffwechsel anzuhalten und die Schwerkraft zu überwinden. Dies sei unabdingbare Voraussetzung für das Ultimative: den Sieg über den Tod. Zwar möge dies nach Zauberei klingen, und sei es vermutlich auch, aber nur so könne sich die Gruppe mühen, allem und jedem Dauerhaftigkeit und Beständigkeit abringen zu können.
Die Suche nach dem sogenannten Gottesteilchen, nach dem Universalgesetz, hätte ihren Vater nach dem Tod der Mutter nicht mehr gereizt. Denn wenn Gesetzmäßigkeiten nur innerhalb eines geschlossenen Systems funktionieren, dann müsste es Welten außerhalb geben, wo diese Gesetze nicht gelten, das Leben also nicht zwangsläufig mit dem Tod enden müsse.
Als die junge Frau zu erklären beginnt, wie diese Gruppe daran arbeite, in solche Welten einzusteigen, Körper und Geist für die Unsterblichkeit fit zu machen, steigt mein Hirn aus diesem Vortrag aus. Ich staune, wie lange es dauert, ehe sich auch Marcels Geduld verabschiedet.
»Ist ja alles ganz interessant«, unterbricht er, als Claire irgendwas von den Geheimnissen asiatischer Kampfkunst faselt. »Hört sich für mich trotzdem nach Sekte an, auch wenn der Teufel nicht drin vorkommt. Aber wenn diese Gruppe mit höheren Dingen so beschäftigt ist, weshalb ist sie dann hinter Ihnen her?«
»Keine Ahnung«, flüstert Claire.
»Hat die Gruppe einen Namen?«
Claire hebt hilflos die
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