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Bekenntnisse eines friedfertigen Terroristen (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Bekenntnisse eines friedfertigen Terroristen (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Bekenntnisse eines friedfertigen Terroristen (suhrkamp taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Gilvarry
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Pakistan günstig waren, kaufte er sie palettenweise ein wie früher, als er selbst Buchhändler gewesen war. Dann verteilte er sie in diesen verarmten Dörfern, deren Einwohner kaum ihren eigenen Namen schreiben konnten. Riad behauptet zwar, nie in Afghanistan gewesen zu sein, aber seine humanitären Bemühungen führten ihn auch in die nördlichen Stammesgebiete, wo die Grenze zwischen den beiden Ländern nicht immer ganz eindeutig verläuft – hier könnte Riad sie vielleicht überschritten haben. »Was wäre denn schon dabei gewesen?«, wurde er im Verhör manchmal gelockt.
    Festgenommen wurde Riad allerdings nicht in den Armutsbezirken der Stammesgebiete. Riad S. aus Birmingham hatte absolut nichts mit Waffen oder dem Dschihad zu tun; er machte sich sogar für das Gegenteil stark – für das Wort. Nicht nur Gottes Wort, auch Lyrik und Romane – islamische, sicher, aber auch Übersetzungen englischer Klassiker wie Charles Dickens. Und er war nicht allein. Freunde, Übersetzer und andere unterstützten ihn bei seinen Bemühungen. Eine ganze Buchhändlerkarawane. Egal. Denn dieser Mann, der für uns ein Weltverbesserer ist, war anderen ein Dorn im Auge. Auf seinen Reisen ging er einer Menge Leuten auf den Nerv. Ein solcher Nerv gehörte auch einem Mullah, der in irgendeinem armseligen, dreckigen Bezirk zur Wiederwahl stand. Dieser Mullah glaubte, Riad störe seine Wahlkampagne, wenn er unter den Wählern, die nicht mal lesen konnten, ausländische Literatur verteilte. Der Mullah hatte Beziehungen zur Regierung, über einen Cousin eines Cousins oder so, und wahrscheinlich brauchte es nur einen Anruf, bei dem Riads Name an jemanden weitergegeben wurde, der ihn seinerseits an höhere Stellen weitergab. Und was dann geschah, war wirklich nicht erfreulich, nämlich das Einzige, was Riads Geschichte mit meiner verband.
    Das Klopfen an der Tür mitten in der Nacht.

...
    MEIN NAME IST (B)OY
    ...
    Namen sind viel mehr als Schall und Rauch. Ralph Lifshitz und Donna Ivy Faske sind niemand, aber Ralph Lauren und Donna Karan sind Götter. Ein Name kann Glück, Ruhm und das große Geld bringen oder einen zerstören. Wie im Fall meines Agenten, Ben Laden.
    Ben war Architekt des Ruhms. Er konnte aus Namen Marken machen, und zwar mit Verve, und er sorgte dafür, dass alle Welt meinen zu hören bekam. In den späten Neunzigern war Ben in New York selbst ein großer Name gewesen und hatte haufenweise angesagte Designer vertreten, hauptsächlich die Asiaten. Doo Ri Chung, Derek Lam, Pho(²), Yellow Bastard und später auch Philip und Vivienne. Doch der Elfte September traf Ben mit voller Wucht, persönlich wie beruflich. Sein Bruder Patrick Laden, zweifach ausgezeichneter Polizist, war gerade im Nordturm, als der einstürzte. Und dann sprangen Ben ohne jede Vorwarnung die Hälfte seiner Klienten ab – so ziemlich alle der oben Genannten bis auf Vivienne und Philip. Alles wegen seines Namens. Als ich schließlich meinen ganzen Mut zusammennahm und ihn anrief, war er bereit, selbst kleine, unbekannte Designer zu vertreten. Mich hätte er allerdings auf Philips Empfehlung sowieso genommen.
    Zum ersten Mal trafen wir uns zum Abendessen bei Freeman’s. Als die Vorspeise serviert wurde, waren wir schon betrunken. Wir bestellten einen Manhattan nach dem anderen und plauderten über Mode, Kunst und den neuesten Klatsch: Wer hatte sich vom großen Geld zu einem Brillen- oder Parfumdeal hinreißen lassen, und wer vögelte wen? Bis ich mein Kotelett endlich anschnitt, war es kalt. Als wir später am Abend Macallan tranken, konnte Ben sich nicht mehr beherrschen.
    »Boy«, legte er los, »meinst du, es kümmert mich einen Dreck, was die Leute von mir denken? Seh ich wie ein Osama aus? Ich bin ein schwuler Ire aus Queens. Der Jüngste von vier Kindern. Wir hießen mal McLaden, aber mein Opa hat das Mc weggelassen, weil er nicht immer von jedem Mac genannt werden wollte. Damals war das eine Beleidigung. Er hat sich das immer zu Herzen genommen. Man kriegte in dieser Stadt als Ire nicht mal ein Taxi und schon gar keinen anständigen Job. Und jetzt ist das Ganze eben an mir hängengeblieben. Er hat damals den Familiennamen ändern lassen, und ich werd den Teufel tun, ihn wieder zurückzuändern, bloß weil so ein Dschihadi meint, er ist Allahs Gesandter. So was tu ich meinem Opa doch nicht an! Mein ganzes Leben hab ich eine Lüge gelebt, aber als ich mich 1987 vor meinen Eltern outete, hab ich gesagt: ›Das war’s. Schluss damit.‹« Er

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