Bekenntnisse eines friedfertigen Terroristen (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
Presseagenten, der den Rest der Welt für mich begeistern wollte. Was für erstaunliche Zufälle. So viele beliebige Verbindungen! Und bei weitem zu viele mythische Erklärungen!
Ich frage Sie, ist es Schicksal, dass ich hier drin bin und Sie da draußen?
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DIE GESCHICHTE MEINES DUSCHPARTNERS
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Im heutigen Eintrag widme ich mich der Geschichte meines Duschpartners. Ich kann sie nicht mehr guten Gewissens verschweigen. (Mein Special Agent weiß, wie mit dieser Information umzugehen ist.) Nach allem, was ich im Laufe der letzten Wochen über diesen Mann, meinen Duschpartner, und seine Situation erfahren habe, bin ich überzeugt, dass ein Fehler gemacht wurde. Wie bei mir. Ich möchte aber nicht meine Schreibprivilegien missbrauchen und mich dem hingeben, was die Beamten hier eine kryptische Tangente nennen, deshalb werde ich diese Abschweifung brav kurz halten.
Riad S., mein Duschpartner, war studierter Bauingenieur, hatte dieses Feld aber aufgegeben, um sich einer, wie er fand, edleren Sache zu widmen. Er eröffnete mit dem bescheidenen Erbe eines entfernten Onkels aus Pakistan im englischen Birmingham einen kleinen, unabhängigen Buchladen. Der Onkel war wohl ein ziemlicher Einzelgänger gewesen und hatte alles seinem Lieblingsneffen Riad hinterlassen, der so viel von der Welt gesehen hatte – Europa, die USA, den Nahen Osten und Asien. Dabei hatte der Onkel noch andere Verwandte. Riad entstammte nämlich einer Großfamilie. Doch der Onkel war sich sicher, dass Riad das Geld nicht verschleudern würde. Und da hatte er recht. Riad wurde Inhaber des einzigen Buchladens seiner Art in diesem Arbeiterviertel Birminghams.
Leider hatte der Laden keinen großen Erfolg, und Riadmusste ihn innerhalb eines Jahres wieder schließen. Die Gründe seines Scheiterns sind zu vielschichtig, um sie hier aufzuzählen. Als frischgebackener gescheiterter Buchhändler packte Riad nun seine Siebensachen, nahm seine hochschwangere Frau bei der Hand und zog nach Pakistan, von dem er ein recht verklärtes Bild hatte. Warum? Aus verschiedenen Gründen. Zum einen kam seine Familie von dort. Familie S. aus Islamabad. Außerdem glaubte Riad, er könne in Pakistan die Welt verbessern, wenn er z. B. wieder als Ingenieur arbeitete. Es war aber auch eine Glaubensfrage. Als bekennender Moslem wollte Riad, dass seine ungeborene Tochter unter anderen kleinen Muslimen aufwuchs. Und die muss man in Pakistan nicht lange suchen. Wie jeder weiß, kann die Kindheit eine ziemlich harte Zeit sein, und Riad war es wichtig, dass seine Tochter nicht in einem Klima der Angst aufwuchs. Wir befanden uns nämlich gerade im Zeitalter der Angst. Riad betrachtete Pakistan als zweite Chance auf ein behütet-biederes Leben für seine Familie. Seine Frau konnte sich ein Dienstmädchen nehmen, das ihr mit dem Baby half, und später konnte das Kind mit anderen muslimischen Kindern auf eine muslimische Schule gehen. Das Leben in Pakistan würde wunderbar werden.
Also zog das junge Paar nach Islamabad, wo Riads Frau, nennen wir sie Manal, tatsächlich ein eigenes Dienstmädchen bekam. Riad fand eine staatliche Anstellung als Ingenieur. Das Baby kam mit Hilfe eines renommierten Arztes zur Welt und war rund und gesund. Dann waren sie zu dritt plus Dienstmädchen. Doch Riad hatte eine Schwäche: sein Mitgefühl. Auch nach so viel Glück in seiner neuen Heimat war er immer noch nicht zufrieden. Selbst nachdem Riads Chef bei der Regierungsbehörde seine Talente erkannt und ihn mit Beförderung um Beförderung belohnt hatte, wollte Riad noch mehr. Oder eher weniger . Riad wollte den weniger Glücklichen helfen, den Armen. Nennen wir es sein Hobby. Wir haben doch alle eins. Und in Pakistan gab es viele Orte, an denen er seinem neuen Hobby frönen konnte. Er verließ Islamabad, denn auf dem Land wimmelte es nur so von Armen. Er fuhr in die südlichen Provinzen Sindh und Belutschistan und in die Städte im Westen an der afghanischen Grenze (damals schon abscheuliche Orte und heute umso mehr, wie ich höre).
Was soll man da sagen? Die Schwachen lagen Riad eben am Herzen. Er war ein Weltverbesserer im wahrsten Sinne des Wortes. Schließlich kam sein Mitgefühl seiner Karriere ins Gehege. Er nahm sich immer häufiger Urlaub, um in diese Armutsgebiete zu reisen und dort unter anderem Bücher zu verteilen. Seine Liebe zur Literatur hatte er nie verloren. Er hat die Bücher nie aufgegeben. (Seine eigenen Worte.) Er besuchte Buchhandlungen im ganzen Land, und da Bücher in
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