Bekenntnisse eines friedfertigen Terroristen (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
mysteriösen Nummer verpasst hatte: 555. Eine Nummer wie im Film. Ich steckte das Handy zurück in die Tasche, aber es fing wieder an zu summen. Dieselbe Nummer. Ich entschuldigte mich und ging dran. Die Männerstimme am anderen Ende kannte ich nicht.
»Was soll das?«, fragte der Kerl. »Willst du nicht reden mit mir?«
»Wer ist da, bitte?«
»Was soll das?«
»Bitte? Sie verwechseln mich wohl mit jemandem.«
»Er hat mir ja gesagt, du kannst zickig sein, aber …«
»Okay, ich leg dann jetzt auf.«
»Treffen wir uns in Lobby.«
»Bitte?«
»In der Lobby, Schneiderlein.«
»Wer ist da?«
»Nenn mich Meerrettich, wenn du willst. Keine Namen am Telefon. Alles klar? Ich warte zwei Minuten in Lobby, dann bin ich weg.«
»Du bist hier im Hotel? Woher hast du meine Nummer?«
Er legte auf.
Ich entschuldigte mich bei Jeppa und fuhr mit dem Aufzug nach unten. Es war nicht schwierig, den Mann zu erkennen, der mich eben angerufen hatte. Er hielt immer noch das Handy in der Hand und trug eine meiner Spezialanfertigungen für Ahmed, den grauen Plaid-Zweiteiler. Der Anzug war viel zu groß für ihn. Als er mich sah, breitete er die Arme aus, als erwartete er eine Umarmung.
»Wer sind Sie?«, fragte ich.
»Ich hab doch gesagt, du sollst mich Meerrettich nennen.« Er drehte sich einmal im Kreis. »Was sagst du?«
»Das ist nicht Ihr Anzug.«
»Komm mit auf mein Zimmer. Dort können wir reden.«
»Kommt gar nicht in Frage. Ich weiß ja nicht mal, wer Sie sind.«
»Du kennst doch den Anzug. Also weißt du auch, dass ich zu deinen Leuten gehöre.«
»Ich kenne den Anzug, aber es ist nicht Ihrer. Er gehört meinem Kompagnon. Was haben Sie mit ihm gemacht?«
»Leise! Er hat mir Anzug gegeben. Bin hier, um dir mitdeine Produktionsprobleme zu helfen. Ich bin Hajji«, flüsterte er. »Du kennst mich doch, oder?«
»Das wollen Sie jetzt hier besprechen? Wie haben Sie mich überhaupt gefunden?«
»Bin dir gefolgt?«
»Gefolgt?«
»Gibt’s hier Echo oder was?«
»Warum haben Sie mich nicht einfach angerufen? Und wo ist Ahmed?«
»Geschäftlich unterwegs. Komm mit nach oben. Ich hab mir extra Zimmer genommen für unsere Besprechung.«
»Ich muss zurück zur Party.«
»Dann reden wir eben da. Aber ich habe Zimmer gemietet, weil ich dachte, du willst mich vielleicht nicht direkt deine ganze schicke Freunde vorstellen.«
»Okay, alles klar. Gehen wir.«
Ich folgte Hajji. Auf dem Flur begegneten wir einem Mann, den ich kannte, dessen Name mir aber nicht einfiel. Er kam gerade mit einem jungen Model aus einem Zimmer. Sein Hemdkragen war voller Lippenstift. Wahrscheinlich war er ein Freund von Philip. Ich nickte ihm zu, aber er sah es nicht.
Als wir in Hajjis Zimmer waren, musste ich an meine Tante Baby denken, die Geldverleiherin von Cebu City, die in genau so einer Situation umgekommen war. Niemand hatte je herausgefunden, wie es genau passiert war, aber die Polizei fand keinerlei Anzeichen eines Einbruchs oder eines Kampfes und ging davon aus, dass sie ihren Mörder gekannt hatte, wahrscheinlich geschäftlich.
In einem Anflug von Paranoia sah ich mich um und versuchte mir einzureden, dass mir hier im Gansevoort nichts passieren konnte, in dieser Luxusfestung des Hedonismus am Tor des Meatpacking District. In den Celebrity-Blogs stand, Kate Moss habe hier erst vor ein paar Wochen ihrenGeburtstag gefeiert. Dieses kleine Klatschdetail beruhigte mich etwas. Außerdem war ich mit Hajji in der Lobby gesehen worden. Aber vielleicht hatte meine Tante genau dasselbe gedacht, kurz bevor das Schwein ihr von hinten eine Plastiktüte über den Kopf zog.
»Willst du Glas Wasser?«, fragte Hajji.
»Nein, ich will zurück zur Party. Was gibt es denn zu besprechen?«
»Du kommst gleich zur Sache, Schneiderlein. Das mag ich.«
»Wissen Sie überhaupt, wie ich heiße?«
Hajji öffnete das Jackett und zeigte das Label, das ich auf die innere Brusttasche genäht hatte. (B)OY
»Du bist der hier«, sagte er. »Ich weiß alles über dich. Frage ist: Weißt du, wer ich bin?«
»Ahmed hat Sie erwähnt, ja.«
»Hast du also von mir gehört. Und du hast keine Problem damit?«
»Wovon reden wir eigentlich gerade?«
»Von unsere Zusammenarbeit.«
»Bitte?«
»Setz dich hin. Entspann dich.«
»Ich weiß immer noch nicht, warum Sie das Jackett tragen.«
»Hab ich dir schon gesagt. Ahmed hat mir gegeben. Ich musste ganze Zeit hingucken. Ich habe gesagt: ›Woher hast du diese wunderbare Anzug?‹ So ein edles Stück. Muster.
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