Belgarath der Zauberer
Unangenehme an der Sache ist, daß diese Einsichten nicht an die Oberfläche kommen, ehe ein besonderes Ereignis sie auslöst. Mehr noch: Kaum sah ich das Mal auf der Handfläche meines Enkels, wußte ich, was ich zu tun hatte.
Es mußte allerdings noch warten, denn in diesem Augenblick kam Polgara aus dem Schlafzimmer. »Gib ihn mir«, forderte sie Riva auf.
»Warum?« Eisenfausts Stimme klang jetzt besitzergreifend.
»Es wird Zeit, daß er etwas zu essen bekommt Beldaran sollte sich darum kümmern – es sei denn, du willst das übernehmen.«
Er errötete tatsächlich und reichte ihr rasch das Baby.
Ich konnte mein Vorhaben erst am nächsten Morgen verfolgen. Ich glaube, daß der Kleine in dieser Nacht nicht viel Schlaf bekam. Jeder wollte ihn auf dem Arm halten. Er nahm es jedoch recht gut auf.
Mein Enkelsohn war ein ungewöhnlich gutmütiges Baby. Er nörgelte nicht und weinte auch nicht, sondern betrachtete jedes neue Gesicht mit demselben ernsten Ausdruck. Sogar ich durfte ihn einmal auf den Arm nehmen – nicht allzulange. Ich nahm ihn und zwinkerte ihm zu. Er lächelte tatsächlich. Aus irgendeinem Grund fühlte ich mich dabei sehr wohl.
Am nächsten Morgen jedoch gab es einen kleineren Streit »Er braucht Schlaf«, bestand Polgara.
»Erst muß er noch etwas erledigen«, sagte ich ihr.
»Ist er nicht ein wenig zu jung dafür, etwas zu erledigen, Vater?«
»Für diese Aufgabe ist er nicht zu jung. Bring ihn her.«
»Wohin gehen wir?«
»In den Thronsaal. Bring ihn, Pol, und widersprich mir nicht. Dies gehört zu den Dingen, die geschehen müssen.«
Sie blickte mich durchdringend an. »Warum hast du das denn nicht gesagt, Vater?«
»Das habe ich doch gerade.«
»Was geht hier vor?« fragte Riva mich.
»Ich will dir nicht den Spaß verderben. Komm mit.«
Wir zogen durch die Gänge von den königlichen Gemächern zur Halle der rivanischen Könige, und die beiden Wachen, die stets dort standen, öffneten uns die Tür.
Natürlich kenne ich Rivas Thronsaal, doch die Größe dieses Raumes überrascht mich stets aufs neue. Die Decke war kuppelförmig gestaltet denn ein flaches Dach auf einer Halle dieser Größe wäre ein zu hohes Risiko gewesen. Massive Balken überkreuzten sich hoch oben und wurden von hölzernen Strebepfeilern gehalten. Drei große steinerne Feuergruben waren in regelmäßigen Abständen in den Boden versenkt und ein breiter Gang führte auf den Basaltthron zu. Rivas Schwert hing mit der Spitze nach unten hinter dem Thron, und der Orb auf dem Knauf flackerte schwach. Man sagte mir, dies sei stets der Fall, wenn Riva die Halle betrat.
Wir gingen direkt auf den Thron zu. »Nimm dein Schwert von der Wand, Eisenfaust«, sagte ich.
»Warum?«
»Es ist eine Zeremonie, Riva«, erklärte ich. »Nimm dein Schwert halte es an der Klinge, und stelle dem Orb deinen Sohn vor.«
»Es ist nur ein Stein, Belgarath. Er kümmert sich nicht darum, wie mein Sohn heißt.«
»Du könntest eine Überraschung erleben.«
Er zuckte mit den Schultern. »Wenn Ihr meint.« Er griff nach der mächtigen Klinge. Dann senkte er das große Schwert und hielt den Knauf dem Baby in Polgaras Armen entgegen. »Das ist Daran, mein Sohn«, sagte er zum Orb. »Er wird dein Hüter sein, wenn ich nicht mehr bin.«
Er hätte es auch anders sagen können, doch Riva Eisenfaust war ein Mann einfacher Worte und hielt nicht viel von Zeremonien. Ich erkannte sogleich die Ableitung des Namens und war überzeugt, daß Beldaran entzückt sein würde.
Ich bin mir sicher, daß das Kind in den Armen seiner Tante geschlafen hatte, doch irgend etwas schien es zu wecken. Es öffnete die Augen und sah den Orb meines Meisters. Man sagt, daß ein Baby stets nach allen glänzenden Dingen greift, die ihm hingehalten werden, doch Daran wußte genau, was er tun sollte. Er wußte es schon, ehe er geboren war.
Mit einemmal streckte er die kleine Hand aus und legte sie fest mit der Handfläche nach unten auf den Orb.
Der Orb erkannte ihn sogleich. Freudig erstrahlte er in blauen Flammen; eine blaue Aura umgab Pol und das Baby, und der Klang von Millionen triumphierender Stimmen schien von den Sternen widerzuhallen.
Ich weiß aus verläßlicher Quelle, daß der Klang Torak heulend aufspringen ließ in Ashaba, eine halbe Welt entfernt.
25. K APITEL
ach Darans Geburt blieben Pol und ich etwa einen Monat auf der Insel der Winde. Uns riefen keine wichtigen Angelegenheiten zurück ins Tal, und es war eine besondere Zeit in unserem Leben.
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