Belgarath der Zauberer
essen.
Der Schankraum hatte eine niedrige Decke mit dunklen Balken. Tische und Bänke waren einfach, zweckmäßig und aus rohem Holz. Ein jämmerliches kleines Feuer qualmte im Kamin. Etwa ein Dutzend Leute hielten sich hier auf; einige Einheimische tranken Bier aus hölzernen Humpen, die von Kupferbändern gehalten wurden, und etliche Reisende verschlangen die unappetitlichen Eintopfgerichte, die in sendarischen Schenken von Camaar bis Darin üblicherweise gereicht werden. In Sendarien werden viele Steckrüben angebaut, und in ranzigem Schweinefett gedünsteter Steckrübeneintopf ist nicht gerade eine meiner Lieblingsspeisen.
Das erste Gesicht das mir auffiel, gehörte einem Murgo. Er trug westliche Kleidung, doch seine schräg stehenden Augen und die Narben auf den Wangen ließen keinen Zweifel an seiner Rasse. Er saß in der Nähe des Kamins, spendierte einem ziemlich beschwipsten Sendarier Bier und sprach über das Wetter.
Da er mich ohnehin nicht erkennen würde, nahm ich in seiner Nähe Platz und wies das Schankmädchen an, mir Essen zu bringen.
Nachdem der Murgo das Thema Wetter erschöpfend ausgekostet hatte, kam er zur Sache. »Du scheinst dich hier gut auszukennen«, sagte er zu dem halb betrunkenen Sendarier, der ihm gegenübersaß.
»Ich glaube, es gibt keine zehn Leute in Sulturn, die ich nicht kenne«, erwiderte der Sendarier bescheiden und leerte seinen Humpen.
Der Murgo ließ einen neuen kommen. »Dann habe ich wohl den richtigen Mann gefunden«, sagte er und versuchte zu lächeln. Murgos wissen nicht genau, wie man lächelt; deshalb wirkte sein Gesicht eher schmerzverzerrt. »Einer meiner Landsleute kam letzte Woche durch die Stadt, und er sah eine Frau, die ihm sehr gefallen hat.«
Ein Murgo, der die Frau einer anderen Rasse auch nur ansah? Absurd!
»Hier in Sulturn gibt es einige wirkliche Schönheiten«, bestätigte der Sendarier.
»Mein Freund war in Eile; deshalb konnte er sich der Dame nicht vorstellen. Doch als er erfuhr, daß ich hierherkam, bat er mich, mehr über sie herauszufinden – wo sie wohnt, wie sie heißt, ob sie verheiratet ist – und so weiter.« Er versuchte wieder zu lächeln, doch es gelang ihm nicht besser als beim ersten Mal.
»Hat er sie dir beschrieben?« fragte der Sendarier. Was für ein Dummkopf! Selbst wenn die Geschichte des Murgos wahr wäre, hätte er eine Beschreibung bei sich. In diesem Fall stellte das gar kein Problem dar. Ctuchik hatte ihm vermutlich Polgaras Porträt auf die Innenseite der Augäpfel geritzt.
»Er sagte, sie sei groß und wunderschön.«
»Diese Beschreibung paßt auf viele Damen in Sulturn, Freund. Hat er sie dir noch näher beschrieben?«
»Sie hat sehr dunkles Haar«, sagte der Murgo, »aber was meinem Freund am auffälligsten erschien, war eine weiße Strähne in ihrem Haar.«
Der Sendarier lachte. »Das ist leicht«, meinte er. »Er hat Polgara gesehen, die Tante von Darion, dem Möbeltischler. Dein Freund ist nicht der erste, der ein Auge auf sie geworfen hat. Aber du kannst ihm sagen, daß er sein Glück anderswo versuchen soll. Polgara hat kein Interesse daran; sie macht es den Leuten ziemlich deutlich klar. Sie kann aus einer halben Meile Entfernung die Rinde eines Baumes verkohlen lassen.«
Ich fluchte leise. Ich würde mit Pol darüber reden müssen. Was nutzte all die Herumzieherei, wenn sie nicht auch ihren Namen änderte, ihr Aussehen und ihr Temperament?
Ich hatte genug gehört. Der Murgo hatte erfahren, was er wollte, und ich auch. Ich schob die Schale mit dem gräßlichen Rübeneintopf beiseite und ging.
Die Straßen von Sulturn waren fast leergefegt, und ein frostiger, böiger Herbstwind heulte um die Ecken der festen Steinhäuser. Schwere Wolken verdeckten den Mond, und die wenigen Fackeln, die die Straßen beleuchten sollten, flackerten, als der Wind an ihnen zerrte. Doch ich achtete nicht sehr auf das Wetter. Vielmehr interessierte mich, ob mir ein weiterer Murgo folgte. Mehrmals ging ich einen Weg wieder zurück, machte Umwege durch die engen, nahezu völlig dunklen Straßen und näherte mich Darions Schreinerei von der anderen Seite.
Es war schon Nacht; deshalb war das Geschäft längst geschlossen, doch die Lichter in den Fenstern der Wohnung oberhalb der Geschäftsräume verrieten, daß Darion und seine Familie zu Hause waren. Ich klopfte nicht an die Tür. Es bestand kein Grund, die Nachbarn zu stören. Statt dessen knackte ich das Schloß und stolperte im Dunkeln umher, bis ich die Treppe fand. Dann
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