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Bell ist der Nächste

Bell ist der Nächste

Titel: Bell ist der Nächste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Dolan
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hörte, wie sich das Geräusch des Dieselmotors entfernte. Der Laster fuhr einen weiten Bogen hin zur Ausfahrt, sodass uns niemand sah.
    »Wo ist Lucy?«, sagte ich.
    Er lehnte sich zurück, um den Druck an seiner Kehle zu mindern. »Ich weiß es nicht.«
    »Was haben Sie in ihrem Auto zu suchen?«
    Er hob seine linke Hand, in der er ein zerknittertes Stück Papier hielt: Lucys Fahrzeugschein.
    »Ich wollte wissen, wer sie ist«, sagte er. »Ich habe sie vor Callie Spencers Haus gesehen.«
    Das traf mich völlig unvorbereitet. Ich hatte keine Ahnung, wer er war. Seine Augen waren mir völlig fremd. Aber als ich sein Gesicht als Ganzes musterte, erkannte ich die Kinnpartie und die Form seines Mundes wieder.
    »Sie sind der Mann im karierten Hemd.«
    Er sah mich verständnislos an.
    »Wie heißen Sie?«, fragte ich ihn.
    »Anthony Lark.«
    So einfach war das.
    »Wo ist Lucy, Anthony?«
    Ich spürte, wie sich seine Schultern hoben.
    »Ich hab’s Ihnen schon gesagt. Ich weiß es nicht«, sagte er. »Haben Sie den Kleinbus gesehen?«
    »Welchen Kleinbus?«
    »Einen blauen Kleinbus. Mehr weiß ich auch nicht.«
    Ich packte ihn am Kragen. »Was haben Sie mit ihr gemacht?«
    »Auf mich brauchen Sie nicht wütend zu sein«, sagte er völlig emotionslos. »Hier geht etwas vor sich, das größer ist als Sie und ich.«
    Ich stieß ihn wieder gegen das Auto. »Sie werden mir jetzt sagen, wo sie ist.«
    »Sie tun mir weh«, sagte er. »Das ist überhaupt nicht nötig. Ich bin bis jetzt doch ganz verständig gewesen.«
    Ich hielt die Klinge so, dass er sie sehen konnte. »Verständig?«
    »Ich habe Ihre Fragen beantwortet«, sagte er. »Ich finde, das sollten Sie doch in Betracht ziehen.«
    »Ach was?«
    »Ja. Ich finde, Sie sollten mich gehen lassen.«
    Ich packte ihn fester am Kragen. »Und warum sollte ich das tun?«
    »Weil ich Ihnen nichts getan habe.«
    »Mehr fällt Ihnen dazu nicht ein?«
    Er atmete durch die Nase aus, ein ungeduldiger Atemzug.
    »Doch«, sagte er. »Es gibt noch einen Grund.«
    »Und der wäre?«
    »Sie haben bloß ein Messer.«
    Eine kryptische Bemerkung. Ich war zu langsam, um sie richtig zu deuten. Er war schnell.
    In einem Film hätte es vielleicht eine Vorwarnung mehr gegeben. Ich hätte vielleicht ein winziges metallisches Klicken gehört, das Geräusch, mit der er die Waffe entsicherte. Aber in der Realität war dieser eine ungeduldige Atemzug die einzige Vorwarnung, die ich bekam. Dann streifte die Mündung meine Seite, und er drückte auf den Abzug.

33
    Ich habe irgendwo gelesen, dass der Einschlag einer Kugel gewöhnlich nicht ausreicht, um jemanden zu Boden zu werfen. Wenn die Kugel nicht den Herzschlag stoppt oder einem das Knie wegbläst oder irgendetwas in der Art, dann gibt es eigentlich keinen Grund dafür, zu Boden zu gehen. Aber die Leute tun es trotzdem, weil sie glauben, sie müssten. Sie haben zu viele Western und zu viele Krimis gesehen. Wenn der Typ im Cowboyhut oder im Filzhut einen Schuss abkriegt, fällt er um.
    Also tun sie’s auch.
    Ich fiel um, als Anthony Lark auf mich schoss. Wobei ich zu meiner Verteidigung sagen möchte, dass er mich stieß.
    Ich ließ im Sturz mein Messer fallen. Landete im Gras nicht weit von einem der Picknicktische entfernt. Ich erinnere mich daran, dass ich aufsah und die Silhouette hoher Kiefern erblickte.
    Ich erinnere mich daran, wie Lark neben mir stand und etwas fallen ließ, das langsam über mir heruntersegelte. Lucy Navarros Fahrzeugschein.
    »Mich brauchen Sie nicht zu verfolgen«, sagte er, soweit ich mich erinnern kann. »Ich bin nicht derjenige, der sie mitgenommen hat.«
    Danach sind die Einzelheiten eher verschwommen, wie eine Serie unterentwickelter Fotos. Ich kann mich nicht daran erinnern, mich aufgesetzt zu haben, aber ich erinnere mich daran, wieder zu stehen. Wie ich hinuntergeblickt und mein Taschenmesser auf dem Boden liegen gesehen habe. Und wie ich beschloss, dass es keine gute Idee sei, mich danach zu bücken.
    Der Geruch nach verbrannter Baumwolle – der Stoff meines Hemdes, der von der Hitze des Mündungsfeuers glomm.
    Lark in der Ferne, der die letzten Schritte hin zu seinem Wagen machte. Er stand einen Moment lang in der offenen Tür und starrte zu mir zurück.
    Leute, die aus dem Hotel kamen. Zwei junge Frauen in Blazern, die offenbar an der Rezeption arbeiteten. Zu jung, um mit einem blutenden Mann auf einem Parkplatz zurechtzukommen. Mit ihnen kam ein älteres Ehepaar heraus. Ich erinnere mich daran, dass er

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