Bell ist der Nächste
töten. Lark fragte sich, während sie miteinander rangen, ob das vielleicht sogar stimmte.
Vielleicht wollte er ihn nicht töten. Es hatte einen Augenblick nach dem Schuss gegeben, als Lark eine Entscheidung treffen musste. Kenneally ließ die Waffe fallen und starrte auf seinen Finger – er hatte ihn irgendwie unter dem Abzugsbügel eingeklemmt und ihn sich gebrochen. Er fiel auf seinen Sessel zurück. Lark stand immer noch, er hätte sich die Waffe vielleicht wieder holen können. Stattdessen beschloss er, wegzurennen. Vielleicht lag ihm doch mehr daran, zu leben, als Matthew Kenneally zu töten.
Er sah seinen Wagen, der im Schatten auf der anderen Straßenseite geparkt war. Zwanzig Meter entfernt. Er konnte zwanzig Meter laufen.
Er stolperte von der Bordsteinkante herunter und stürzte, rappelte sich wieder auf. Hinter ihm war das Hämmern von Schritten zu hören. Fünfzehn Meter noch. Vor ihm ein Mädchen mit einem Collie an der Leine, das auf die Straße trat. Zehn Meter. Lark hatte seine Schlüssel in der Hand. Fünf Meter. Das Mädchen bemerkte ihn und zog den Collie näher zu sich heran. Hinter ihm rief eine Stimme deutlich seinen Namen. Forderte ihn auf, stehen zu bleiben.
Per Knopfdruck öffnete er die Wagentür, drehte den Schlüssel. Der Motor springt an. Der Collie bellt wie zur Antwort. Lark steuert den Wagen auf die Straße. Im Rückspiegel sieht er die Polizistin, die mit erhobener Waffe dasteht. Die Waffe senkt sich ein wenig, ein Zeichen für ihr Zögern. Sie will nicht riskieren, das Mädchen zu treffen oder den Fahrer des Cabrios, der auf der Gegenfahrbahn fährt. Lark sieht sie im Spiegel kleiner werden, sieht, dass sie die Waffe sinken lässt.
46
Ich parkte vor dem Haus der Spencers. Ruth Spencer empfing mich an der Tür. Ich hatte zuvor angerufen, und ihr Mann hatte sich bereit erklärt, mit mir zu sprechen. Sie führte mich zu einer Gartenlaube.
Dort wartete Harlan Spencer schon auf mich. Sein Rollstuhl war nach Südosten ausgerichtet, sodass er über seinen Rasen auf das Gästehaus und die Bedford Road blicken konnte.
Ruth Spencer ließ uns allein. Auf einem kleinen Tischchen stand ein Tablett mit einem Krug Eistee und zwei Gläsern. Ich nahm auf einem bereitgestellten Terrassenstuhl Platz.
»Bedienen Sie sich, wenn Sie möchten«, sagte er mit tiefer zuvorkommender Stimme.
»Danke, nein.«
»Sie sind wegen Lucy Navarro hier«, sagte er dann. »Ich habe schon mit der Polizei über sie gesprochen. Ein Detective namens Wintergreen war hier und fragte mich, ob ich sie in der letzten Woche gesehen hätte, hier an der Straße in ihrem gelben Beetle.«
»Und?«
»Ich habe ihm gesagt, dass es meine Beine sind, die nicht mehr funktionieren. Meine Augen aber sind gut. Natürlich habe ich sie gesehen.«
Eine Brise kam auf und strich uns angenehm über die Haut. Spencer legte den Kopf in den Nacken.
»Hat er Sie gefragt, ob Sie Aufschluss darüber geben können, was mit Lucy Navarro vergangenen Mittwoch nachts passiert ist?«
»Zuerst hielt er die Frage für unhöflich. Aber dann stellte er sie doch. Ich sagte ihm, dass ich ihm nicht helfen kann.«
»Ich hoffe doch, Sie können mir helfen.«
»Das dachte ich mir schon«, sagte Spencer. »Was haben Sie denn, womit Sie mich bearbeiten können?«
Einer seiner Mundwinkel wanderte nach oben, aber seine Augen beobachteten mich sehr aufmerksam. »Ich habe gehört«, sagte er, »Sie haben Alan Beckett Gewalt angedroht, wenn er das Mädchen nicht unverletzt wieder gehen lässt.«
»Ich werde Sie nicht bedrohen«, sagte ich.
»Nicht physisch. Aber Sie haben irgendwas in der Hand. Was ist es?«
»Ich habe heute mit Sutton Bell gesprochen.«
»Na, da haben wir’s ja.«
»Über den Great-Lakes-Bankraub.«
Er nickte langsam und nachdenklich. »Er weiß das eine oder andere darüber.«
»Er hat mir sein großes Geheimnis verraten«, sagte ich. »Nämlich, was hinter seinem Deal steckte, warum er nur zweieinhalb Jahre Gefängnis bekommen hat.«
»Und? Wie finden Sie es – sein Geheimnis?«
»Zuerst fand ich es ziemlich enttäuschend.«
»Das sind die meisten Geheimnisse.«
»Er hat mir erzählt, er hat Sie zwei Tage vor dem Überfall zusammen mit Floyd Lambeau gesehen.«
Spencer blickte in die Ferne. »Ja, das stimmt.«
»Der Sheriff und der Bankräuber, die zusammen Kaffee trinken«, sagte ich. »Bell wusste, dass das skandalös ist. Er war sich nicht ganz sicher, wie skandalös. Er dachte, dass Sie vielleicht sogar irgendwie an dem
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