Benedict-Clan "Der Mitternachtsmann"

Titel: Benedict-Clan "Der Mitternachtsmann" Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Blake

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wirklich, Granny May“, zog er sie auf, „wenn ich es nicht besser wüsste, könnte ich ja fast auf die Idee kommen, dass du ihre Bücher gelesen hast.“
    „Das habe ich auch – obwohl ich natürlich diese ganzen Stellen überblättert habe, wo … na ja, du weißt schon, was.“
    „Du meinst den Sex.“
    „Hör sofort auf, so blöd zu grinsen, junger Mann! Auch wenn du dir vielleicht einbildest, du hättest die Fortpflanzung erfunden, kann ich dir versichern, dass es sie schon lange vor deiner Zeit gab. Ich brauche eben solche detaillierten Beschreibungen nicht, um Freude an einem Buch zu haben.“
    „Ach, dann hast du Aprils Buch also gern gelesen?“
    „Sie schreibt gut, aber darum geht es überhaupt nicht.“
    „Ach, nein? Worum geht es denn dann? Dass April alles über die Liebe zwischen Mann und Frau weiß oder dass sie genauer darauf eingeht?“
    „Sie benutzt es, um zu erklären, wie ihre Männer und Frauen gestrickt sind, wie sie in ihrem tiefsten Innern sind, wo die meisten anderen Schriftsteller nie hinschauen. Sie versucht zu zeigen, was sie fühlen und denken, wenn sie am schwächsten sind.“
    „Oder am stärksten“, sagte Luke, der nicht aufhören konnte, sie aufzuziehen, obwohl er ihren Worten mit großem Interesse lauschte.
    „Na ja, gut. Aber das ist Privatsache. Das geht niemand etwas an. Ich will nicht wissen, was ein Mann denkt, wenn er eine Frau im Arm hält, und ich will nicht wissen, wie es sich anfühlt, wenn man geküsst wird, weil es mich daran erinnert …“
    „Woran?“ fragte er sanft, während er beobachtete, wie seiner Großmutter die Röte ins Gesicht stieg und wieder verschwand.
    „An deinen Großvater und daran, wie ich früher … ach, vergiss es! Der Punkt ist, dass sie gefährlich ist.“
    „Für mich, meinst du. Vielleicht sollte ich besser ein paar von ihren Büchern lesen, um mich vor ihr zu schützen.“
    „Nein, nein, tu das bloß nicht!“
    Er hob erstaunt eine Augenbraue. „Aber warum denn nicht?“
    „Weil ihre Stimme in den Büchern drin ist, es ist so, als ob sie dir vorlesen oder vorsingen würde. Sie führt dich von Seite zu Seite, bis du die Zeit und alle deine Pflichten vergisst. Sie erfindet eine Welt und zieht dich Stück für Stück rein, bis du dir einbildest, die Personen zu kennen, bis du sie herumlaufen siehst und sie reden hörst. Und dann würdest du sie gern kennen lernen, du wünschst dir, sie zu kennen, aber das kannst es nicht, und deshalb ist es Betrug.“
    „Aber sie sind immer noch zwischen den Buchdeckeln, oder? Egal, auf jeden Fall haben das die Geschichtenerzähler schon immer gemacht, sie haben imaginäre Personen und imaginäre Welten erschaffen.“
    Plötzlich wirkte ihr Gesicht ganz zerknautscht. „Du spielst sie gegen mich aus. Sie hat dich bereits in der Tasche.“
    „Mach dir keine Sorgen“, sagte er mit so viel Geduld, wie er aufbringen konnte. „April Halstead will und braucht mich nicht, und sie hat noch kein einziges Mal versucht, irgendetwas von mir zu bekommen. Vergiss nicht, dass ich es war, der sie von hier weggebracht hat. Nicht umgekehrt.“
    „Umso schlimmer!“ Ihre Augen füllten sich mit Tränen. „Sie wird dir wehtun, mein Junge. Sie wird es tun, auch wenn sie es vielleicht nicht absichtlich macht, weil sie nicht weiß, wie du wirklich bist.“
    „Es ist doch nur für ein paar Tage.“
    „Ein paar Tage sind zu lang. Sie wird uns allen wehtun, und es wird ihr egal sein, solange sie nur ihre Geschichte hat. Sie lebt in diesen Geschichten. Sie ist dort auf jeder Seite mit allem, was sie weiß und denkt und fühlt. In diesen Geschichten steckt viel zu viel von ihr drin, denke ich. Sie entblößt sich, so dass alle sie sehen können. Ich verstehe nicht, wie sie das aushält. Aber sie hat keine Zeit für irgendetwas Wirkliches. Sie … sie kann es einfach nicht.“
    Das ist eine interessante Theorie, dachte er. Er würde sie überprüfen müssen.
    Aus den zwei Stunden, die Luke darauf verwenden wollte, sich um seine Angelegenheiten auf Chemin-a-Haut zu kümmern, wurde ein halber Tag. Es war bereits Nachmittag, als er schließlich alles erledigt hatte und sich ins Auto setzte, um nach Mulberry Point rüberzufahren. Um keine Aufmerksamkeit zu erregen, parkte er den Jeep hinten. Ins Haus zu gelangen war kein Problem; er benutzte den Schlüssel, den er aus der kleinen Handtasche in Aprils Auto genommen hatte.
    Er hatte sich vorher schon viele Gedanken darüber gemacht, was sie auf dem Boot brauchen würde.