Benson, Amber - Jenseits GmbH 2 - Einmal Tod ist nicht genug
unterbrach ich mich. »Für andere Leute ist es gar nicht besonders lustig.«
Senenmut nickte, als hätte er eine tiefe Weisheit in meinen Worten erkannt.
»Also, wo ist sie? Deine ganz besondere Freundin?«
Erneut trat dieser alberne, liebeskranke Ausdruck auf Senenmuts Gesicht, und der süßliche Charakter der ganzen Situation brachte mich fast zum Würgen. Ich kam zu dem Schluss, dass es eine Sache war, wenn man darüber redete, jemand anders bei der Suche nach seiner wahren Liebe zu helfen, und eine ganz andere, wenn man das tatsächlich tat – insbesondere wenn es einen kein bisschen dem Ziel näher brachte, die eigene große Liebe zu finden.
»Sie ist an einem Ort namens Target -Markt«, sagte er.
Ich seufzte. »Hat das Vögelchen vielleicht auch erwähnt, in welchem Target?«
Senenmut nickte aufgeregt. »Der Ibis hat mir verraten, dass der Ort nicht weit von hier ist. Er hat mir sogar gesagt, in welcher Richtung er liegt.« Er hielt inne und versuchte sich an die genauen Worte des Vogels zu erinnern. »Ja, jetzt weiß ich s wieder. Ich soll etwas nehmen, was Highway 80 heißt, bis zu einem Ort namens Las Vegas. Dort befindet sich der Target.« Oh Mann.
In Las Vegas und seinen Vororten gab es insgesamt elf Target- Einkaufsmärkte. Das fand ich mittels einer kurzen Netzrecherche auf meinem PDA raus.
Normalerweise nahm ich meinen aufgemotzten Möchtegern-BlackBerry nicht mit, wenn ich meine Eltern besuchte, weil ich hier sowieso keinen Empfang hatte – genau genommen funktionierten in der Umgebung von Haus Meeresklippe überhaupt keine Mobiltelefone, soweit ich das bisher hatte feststellen können. Ich wusste aus Erfahrung, dass man für einen Privatanruf das Grundstück verlassen musste. Wenn man als Teenager in den Sommerferien zu Hause war und gern eine lange, bedeutungsvolle Tratschrunde mit seinen Freunden abhalten wollte, war man mit einem Handy zum Scheitern verurteilt. Sagen wir einfach, dass mein Akku immer leer gewesen war, lange, bevor ich mit dem Reden fertig gewesen war.
Natürlich konnte man in einem solchen Fall noch den Festnetzanschluss im Haus benutzen, aber wer wusste schon, ob da jemand mithörte? Das war eine der nicht so tollen Begleiterscheinungen, wenn man die Tochter des Sensenmanns war: Man hatte eigentlich keine nennenswerte Privatsphäre. Immer beobachtete einen irgendjemand oder irgendetwas.
Da ich absolut kein Interesse daran und auch keine Zeit dafür hatte, einen längeren Ausflug mit meinem neuen ägyptischen Freund zu unternehmen, wurde mir klar, dass ich meinen Zeitplan für eine Entschuldigung bei Jarvis beschleunigen musste.
Neben Clio (die unter Bastets Bann stand und deshalb nicht in frage kam) war er die einzige Person hier, die ein Wurmloch aus dem Hut zaubern und mich rechtzeitig dorthin bringen konnte, wo ich hinmusste.
Ich ließ Senenmut auf der Bank an der Steilkante zurück, von wo aus er aufs Meer hinausschaute, während er sich das Handtuch an die schnell heilende Kopfwunde drückte, und ging zum Haus zurück, um Frieden mit Jarvis zu schließen. Auf dem Weg durch den Garten sah ich immer wieder über die Schulter. Ich hatte ein bisschen Mitleid mit meinem neuen Ägypterfreund. Zuerst waren Senenmut die gigantischen Wassermassen um uns herum scheinbar gar nicht aufgefallen, doch sobald er Nephthys dazu gebracht hatte, mit den Informationen über seine lange verlorene Liebste rauszurücken, hatte er angefangen, auch an anderes zu denken und sich für seine Umgebung zu interessieren.
»Als Junge habe ich das Meer geliebt. Mein Vater hat meinen Bruder und mich immer zum Kem-Meer mitgenommen – in eurer Sprache heißt es das Schwarze Meer –, wo wir den Sklaven beim Bauen von Schiffen zugesehen haben«, hatte Senenmut wehmütig erzählt. »Das waren einige der glücklichsten Stunden meines Lebens.«
Ich konnte es ihm nachfühlen – wenn man von der Sache mit den Sklaven absah. Kindheitserinnerungen hatten etwas an sich, das einem das Gefühl gab, innerlich alt und traurig zu sein. Natürlich hatte ich nur gut zwanzig Jahre, auf die ich zurückblicken konnte. Senenmuts Erinnerungen hingegen umfassten Tausende von Jahren und den Tod seiner ganzen Welt.
Vielleicht wurde Mitgefühl auch überbewertet.
Verdammt, er wirkte einfach so fehl am Platze in Haus Meeresklippe. Er gehörte nicht in diese Zeit. Senenmut kam aus einem ganz anderen historischen Zeitalter, als es noch Magie und direkte Gespräche mit den eigenen Göttern gegeben hatte.
Heute war
Weitere Kostenlose Bücher