Benson, Ann - Alejandro Canches 02 - Die brennende Gasse
Schwangerschaft hatte sie den rosigen Schimmer ihrer Wangen gekostet. An den meisten Tagen war sie geisterhaft blaß, wenn sie nicht ein wenig frische Luft schöpfte, aber wegen ihrer schrecklichen Unterernährung schaffte sie diese Anstrengung oft nicht. Häufig klagte sie über schmerzende Zähne, und Alejandro betete jeden Tag, daß sie der Schwangerschaft keinen davon opfern mußte. Ein Apfel hin und wieder oder, mit Gottes Großmut, gelegentlich eine Zwiebel mit ihren wundersamen Eigenschaften hätten das Problem gelöst. Aber so etwas war nicht zu bekommen.
Das ungeborene Kind rührte sich in ihrem Bauch wie ein kleiner Soldat, und Alejandro hatte nie Schwierigkeiten, die Füße des Babys zu finden, wenn es im Leib seiner Mutter strampelte. Es schenkte Kate beinahe die einzige Freude, die sie noch kannte, mit den Händen über das Eine zu streichen, das außer ihren Erinnerungen noch von ihrer Liebe zu Guillaume Karle übrig war. Und Alejandro fand es nur gerecht, daß sie endlich etwas Freude an ihrer Last hatte; denn in den ersten paar Monaten hatte sie nur gewürgt und aufgestoßen und versucht, die wenige Nahrung bei sich zu behalten, die sie zu sich nahm. Es gab keine Kräuter, um die richtigen Tees und Tinkturen für ihre Schwangerschaftskrankheit zu bereiten; denn alles, was sie hatten, war für die verwundeten Soldaten der Jacquerie oder zu anderen Heilzwecken verwendet worden, und als endlich die letzten Verwundeten das Langhaus verließen, war die Erde bereits herbstlich braun – es gab keine Kräuter mehr. Bis zum Frühling würde es keine geben, aber bis dahin würde das Kind schon geboren sein. Lebend, wie Alejandro hoffte. Er glaubte, es nicht zu überleben, wenn seine Tochter noch einen so grausamen Verlust erleiden mußte.
Jenen Winter hatten sie mit zwei Goldstücken begonnen, und er war davon überzeugt gewesen, sie würden damit durchkommen. Zwei Goldstücke reichten aus, eine große Familie ein Jahr lang zu ernähren; das hatte man ihm jedenfalls versichert, und daran wollte er verzweifelt glauben. Es gab niemanden, der das Vieh versorgte, niemanden, der das bißchen Weizen erntete, das gesät worden war, niemanden, es auf den Markt zu bringen, und so zahlten die Leute schwindelerregende Preise für alles, was eßbar war. Die Adeligen hungern wahrscheinlich nicht, dachte Alejandro, und Charles von Navarra und der Baron de Coucy am allerwenigsten.
Doch selbst diese gaben ihre Münzen noch schneller aus als jemals zuvor, und überall im Land flüsterte man grollend darüber; jeder, der vorbeikam, berichtete es im Langhaus.
Jetzt hatten sie nur noch ein paar letzte sous; Alejandro wußte, ihre einzige Nahrung bis zum Frühling würde das sein, was er selbst fing. Doch Wild war rar, und bei den zugefrorenen Teichen war es eine mühselige, ja oft unmögliche Aufgabe, Fisch zu beschaffen. In seinen Träumen dufteten goldene Brotlaibe, dampfte weißer Fisch, und saftige rote Äpfel knackten in seinem Bauch voller Sand und Knorpel und Knurren. Er wäre für das kleinste bißchen dankbar gewesen, wenn es nur aufzutreiben gewesen wäre.
Es kamen Leute, um sich behandeln zu lassen; er machte sich nicht mehr die Mühe, seine Heilkunst zu verbergen; denn unter dem Landvolk war allgemein bekannt, was er für die verwundeten Brüder, Söhne und Ehemänner getan hatte. Meilenweit kursierten Legenden über seine barmherzigen Taten. Und er war der einzige Arzt, den es nördlich von Paris noch gab; jedenfalls schien es so, wenn die Ströme von miserables vorsprachen. Oft konnte er nichts für die Armen tun, die unter den Krankheiten der Entbehrung litten und voller Hoffnung bei ihm vorsprachen; meist schickte er sie mit wenig mehr als ermutigenden Worten nach Hause. Diejenigen, denen er helfen konnte, waren selten in der Lage, ihm irgend etwas zu bezahlen, obwohl er ihnen für seine Dienste auch keine Bezahlung abverlangte. Manchmal brachte jemand einen Streifen getrocknetes Fleisch, einen wurmigen Apfel oder eine Brotkruste mit; denn Nahrung war das einzige Zahlungsmittel, an dem in jenem langen Winter von 1359 irgend jemandem lag. Er war dankbar für das, was man ihm brachte, und das meiste davon gab er Kate. Wenn jemand an die Tür des Langhauses klopfte, empfand er keine Erregung mehr, und es kümmerte ihn nicht mehr, ob die Agenten von König Edward endlich erschienen, ihn festzunehmen. Sollen sie doch kommen, dachte er oft mit resignierter Bitterkeit, wenn sie nur Essen mitbringen.
An einem
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