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Bergfriedhof

Bergfriedhof

Titel: Bergfriedhof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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Einladung. Arsani saß in einem Sessel neben seinem Schreibtisch und stierte mich geistesabwesend an. Auf den Gedanken zu protestieren kam er nicht.
    »Guten Morgen«, sagte ich. »Max Koller. Erinnern Sie sich?«
    Keine Antwort. Ich zog mir einen Stuhl heran und nahm ihm gegenüber Platz.
    »Oh«, grinste ich und befühlte die Sitzfläche des Stuhls. »Die ist ja noch warm.«
    Arsani schwieg. Er stand noch ganz unter dem Eindruck dessen, was ihm die langbeinige Brünette um die Ohren gehauen hatte. Es würde ja nicht gerade ihre Handtasche gewesen sein.
    »Was wollte meine Schwester von Ihnen?«, fragte ich unschuldig.
    Da wurde er wach, der gute Professor.
    »Ihre ... Ihre Schwester?«, fragte er. »Das da war Ihre Schwester?«
    Ich nickte.
    »Sie hat mir gar nicht erzählt, dass sie einen Bruder hat.«
    »Sollte sie das? Ich meine, kam das Gespräch überhaupt auf Verwandtschaftliches? Wissen Sie, es gibt Situationen, in denen Steffi nicht viele Worte macht. Sie ist eher der spontane Typ Frau.«
    Arsani wurde fahlweiß. Anschließend knallrot. Es dauerte eine Weile, bis sich eine konstante Gesichtsfarbe einstellte.
    »Jedenfalls«, erlöste ich ihn, »hat uns beiden Ihr gestriger Vortrag ausgesprochen gut gefallen. So lebendig wünscht man sich kunsthistorische Referate immer.«
    »Sie waren auch da?«
    »Erinnern Sie sich nicht? Koller mein Name, von den Neckar-Nachrichten . Hinterher standen wir noch lange zusammen und diskutierten über Ihre Ausführungen. Auch über Ihre Meinung zu Jacob Burckhardt. Ich bin ja kein Kunsthistoriker, aber im Gegensatz zu Marten Micevski leuchteten mir Ihre Thesen durchaus ein. Ein hochinteressanter Disput, wirklich.«
    Der Professor schwieg. Er sah erst auf seine Fingernägel, dann zur Tür hinüber, zuletzt verlagerte er sein Gewicht von einer Hinterbacke auf die andere. Seine Haare hingen wirrer denn je um seinen Kopf. Beim Namen Micevski machte er eine abwehrende Handbewegung, die wohl heißen sollte: Den kannste vergessen.
    »Sie werden sich fragen«, fuhr ich fort, »warum ich hier bin. Zunächst natürlich, um Ihnen für den Vortrag zu danken. Es war ein unvergesslicher Abend für einen Nichtakademiker wie mich ... und der gemütliche Teil hatte ja auch seinen Reiz, nicht wahr?«
    Arsani sah mich wortlos an. Er gab sich einen Ruck und stand auf. Aus einem Wandschränkchen entnahm er eine Handvoll Tabletten, warf sie in ein Glas, schüttete Mineralwasser hinterher und trank alles in einem Zug hinunter. Dann setzte er sich wieder mir gegenüber. Aus dem Mann, der vor guter Laune Purzelbäume geschlagen hatte, war der leibhaftige Magenbitter geworden. Als ob er in einer Zitronenpresse geschlafen hätte.
    »Ja ...«, sagte er, und es klang wie eine Frage.
    »Es gibt aber noch einen Grund, warum ich hier auftauche. Und zwar geht es um einen Ihrer Studenten, der zur Rheno-Nicaria gehört: Arndt Bünting. Ich habe Ihnen ja gestern erzählt, dass ich derzeit einen Beitrag über seinen Großvater schreibe.«
    »Über seinen Großvater?«
    »Dr. Hanjo Bünting.«
    »Aha.«
    »Hanjo und ich ... wir sind alte Freunde, wissen Sie.« Ich kramte wieder das Märchen von der Männerfreundschaft zwischen dem Unternehmer und mir aus. Waren wir nicht zusammen durch dick und dünn gegangen, er, der alte Bünting, und ich, der junge Koller? Hatten wir nicht nächtelang über den Wirtschaftsstandort Deutschland diskutiert, über die Globalisierung und ihre Folgen für Heidelberg? Hatten wir. Und lag es deshalb nicht auf der Hand, dass ich Büntings Porträt für die Neckar-Nachrichten verfasste? Na, sehen Sie.
    »Hanjo und ich«, schloss ich, »das ist ... ja, das ist etwas Besonderes. Das finden Sie nicht so oft.«
    Arsani nickte.
    »Und nun gibt es folgendes Problem, Herr Professor: Dr. Bünting macht sich Sorgen um seinen Enkel. Große Sorgen.«
    »Inwiefern?«
    »Und zwar seit Tagen schon. Sie wissen wahrscheinlich, dass Arndt teilweise bei seinen Großeltern wohnt. Hanjo meint, Arndt komme ihm in letzter Zeit sehr verändert vor: verunsichert, bedrückt, fast ängstlich ... als läge ihm etwas schwer auf der Seele. Natürlich hat er versucht, mit ihm darüber zu sprechen. Ohne Erfolg. An seinen Noten kann es ja nicht liegen, oder?«
    Arsani schüttelte müde den Kopf.
    »Unter uns gesagt: Es ist nicht immer leicht für einen jungen Mann, ohne Vater, dafür mit einem so erfolgreichen Großvater als leuchtendem Vorbild ...« Der Professor nickte und unterdrückte ein Gähnen.
    »Könnten Sie

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