Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bergfriedhof

Bergfriedhof

Titel: Bergfriedhof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
Vom Netzwerk:
parierte ich seine unkontrollierten Schläge und antwortete mit einem prächtigen Kinnhaken von unten. Pfeifend fiel er hinterrücks gegen den Brunnenrand. Wenn jetzt keiner herschaute ... Es schaute keiner. Klatsch, versetzte ich dem Narbengesicht eine schallende Ohrfeige und kippte ihn in den Brunnen. Hoffentlich konnte er schwimmen.
    Ich sah mich um. Die Konfusion hatte ihren Höhepunkt erreicht: Die Polizei war zurückgekehrt und warf sich zwischen die Kämpfer. In ihren Augen prügelten sich Burschenschafter mit Burschenschaftern, und das musste verhindert werden, warum auch immer. Zur Not eben mit Gewalt. Arme Burschen! Kein guter Tag für sie. Nun hatten sie auch noch die Ordnungskräfte gegen sich. Ein paar versuchten, die Situation zu klären, aber ihr Gezeter ging im allgemeinen Lärm unter; andere drehten durch und schlugen auf alles, was sich bewegte, wieder andere bekamen einen Heulkrampf und flüchteten.
    Ich suchte Arndt. Über den ganzen Platz waren Bündel von Menschen verteilt, schreiende, zappelnde Knäuel. Bullen jagten Linke, Linke jagten Burschen, und einmal sah ich sogar drei Korporierte, die einem Polizisten hinterherhetzten. Inzwischen hatte auch das Publikum in die Kampfhandlungen eingegriffen. So wurde ein Sänger im Schatten der Heiliggeistkirche von rabiaten Zivilisten in die Mangel genommen. Altachtundsechziger wahrscheinlich, die es den Corpsstudenten einmal zeigen wollten, oder aufrechte Bürger, die dem Anarchistenpack seine gerechte Strafe zukommen ließen. Immer noch gellten von oben die Trillerpfeifen, tönten Kommandos über den Platz, schrillten Sirenen, flogen Gemüse und Fäuste – es war ein heilloses Chaos. Nur die Penner amüsierten sich köstlich.
    Man hätte Eintritt erheben sollen.
    Dann entdeckte ich Arndt in einer misslichen Lage. Er bekam den Schutzschild eines Polizisten über den Schädel und schloss unsanft Bekanntschaft mit dem Kopfsteinpflaster. Der Bulle zog gleich wieder ab, weil er seinen Schlagstock im Getümmel verloren hatte, aber zwei andere Typen nutzten die Gunst des Augenblicks und machten sich über den jungen Bünting her. Im letzten Augenblick kam ich hinzu und konnte verhindern, dass sie ihn in den Brunnen hievten. Dort wurde es übrigens schon ziemlich eng. Den einen packte ich am Schlafittchen und schleuderte ihn wie einen Sack Kartoffeln zur Seite, dem anderen gab ich eine Kopfnuss, was ihn aber nicht beeindruckte. Er nahm eine fernöstliche Kampfeshaltung ein und begann nervös mit den Beinen zu tänzeln. Der erste Handkantenschlag kam, ich duckte mich, wich zur Seite aus und stolperte über den immer noch benommen herumliegenden Arndt. Das war gut so; denn über mir zischte die Faust des ersten Typen, der sich berappelt hatte, ins Leere. Ich schnellte nach oben, trat dem Asiaten von hinten so gegen die Waden, dass es mit dem Tänzeln ein Ende hatte. Nun also wieder der Kartoffelsack. Eine Finte links, eine Gerade rechts, aber bevor ich das Kinn meines Gegenübers zurechtrücken konnte, traf mich seine Faust im Magen. Ich taumelte zurück und trat der Nummer zwei auf die Finger. Dieses Gekreische! Sein Genosse stürzte sich auf mich, und ineinander verkrallt rollten wir über den Boden. Hin und her, vor und zurück, wir konnten gar nicht mehr voneinander lassen. Fehlte bloß die Walzermusik.
    Währenddessen warf sich Arndt todesmutig auf den anderen Angreifer, nur um schnurstracks neben mir auf dem Pflaster zu landen. Keine große Hilfe, der junge Bünting. Ich sah keine andere Möglichkeit, meinen aufdringlichen Liebhaber loszuwerden, als ihn kräftig ins Ohr zu beißen. Es schmeckte salzig. Brüllend ließ mein Verehrer von mir ab. Kaum auf den Beinen, benötigte Arndt schon wieder meine Hilfe. Der Karatekämpfer versetzte ihm eine Ohrfeige nach der anderen, mit seinen blutigen Fingern rote Spuren durch das verheulte Knabengesicht ziehend. Als er mich sah, stoppte er mitten in der Bewegung, sprang zur Seite und verzog sich. Da hatte ich mir ja ordentlich Respekt verschafft.
    Dachte ich.
    Im nächsten Moment lag ich selbst auf der Nase, den zähneknirschenden Kartoffelsack neben, den wimmernden Arndt unter mir. Und über mir die Hosenbeine von Polizisten, die uns in sauberer Hürdentechnik übersprangen, auf der Suche nach weiteren Opfern. Also war es doch nicht meine ausgefeilte Boxtechnik gewesen, die den Typen in die Flucht geschlagen hatte. Schade. Aber vielleicht besser so. Denn ringsum machten sich die Bullen daran, die Herrschaft über

Weitere Kostenlose Bücher