Bergwasser: Ein Schweiz-Krimi (German Edition)
könnte besser sein. Wir haben das etwas überschätzt.«
»So wie das Edelweiß «, ergänzte Tresa.
»Genau. Wie kann ich Ihnen helfen?«
»Vermissen Sie eine Angestellte?«
Cattaneo wollte gerade etwas sagen, da klingelte Francos Handy. »Madlaina«, flüsterte er Tresa zu. Sie nickte. Er verließ die Stube und nahm ab, aber er hatte keinen guten Empfang. Er ging nach draußen.
»Ist es so weit?«, fragte Franco. Er trat von einem Fuß auf den anderen. Doch Madlaina wollte nur wissen, wo die Handdüse des Dampfreinigers ist.
»Wozu brauchst du die?«
Sie wolle das Bad putzen, antwortete Madlaina.
»Aber doch nicht in deinem Zustand! Du darfst doch gar nicht aufstehen! Das mache ich heute Abend«, sagte Franco.
»Das hast du schon gestern gesagt«, erwiderte Madlaina.
»Das wollte ich auch, aber dann kam diese Leiche im Tunnel dazwischen.«
»Es kommt immer irgendetwas dazwischen.«
»Ich mache es heute Abend. Versprochen.«
»Wir werden sehen.«
»Und wenn nicht, ist es auch nicht so schlimm. Das Bad läuft nicht weg.«
»Aber ich möchte doch …« Ihre Stimme begann zu zittern. Sie war anscheinend den Tränen nahe.
»Madlaina, es ist alles in Ordnung. Mach dir einen schönen Nachmittag, ruh dich aus, ich komme so schnell wie möglich nach Hause.« Er beendete das Telefonat und schaute auf den Berg gegenüber. Die Sonne stand direkt über ihm, die Landschaft schien keine Tiefe zu haben, eine glatte Fläche. Die Lärchen wirkten noch spitziger und abweisender als sonst. Er fühlte sich hilflos, wusste nicht, wie er Madlaina helfen sollte. Der Arzt hatte ihr Bettruhe verordnet. Schon mehrere Wochen musste sie liegen. Und er konnte nichts für sie tun.
Da hörte er ein Kichern. Er ging ums Gebäude herum. Auf einer Bank saßen drei leicht bekleidete Frauen und sonnten sich. Als sie ihn sahen, packten sie schnell ihre Sachen zusammen und verschwanden im Haus.
»Dann würde ich gerne Ihre Bewilligung und die Liste Ihrer Angestellten sehen«, sagte Tresa, als Franco die Stube wieder betrat.
Cattaneo nahm eine Mappe von einer Kommode. »Hier ist alles drin. Alles legal.«
»Und wieso rennen sie davon, wenn sie einen Polizisten sehen?«, fragte Franco.
»Wer rennt davon?« Tresa blätterte in den Papieren.
»Die halbnackten Frauen hinter dem Haus.«
»Überrascht Sie das?«, fragte die Frau mit den Leopardenfingernägeln.
»Wegrennen tun nur die, die ein schlechtes Gewissen oder etwas zu verbergen haben.« Franco setzte sich neben Tresa.
»Oder die, die schlechte Erfahrungen mit der Polizei gemacht haben«, gab die Besitzerin zurück.
Tresa reichte ihr die Unterlagen und erhob sich. »Ist alles in Ordnung. – Gehen wir?«
Eine Angestellte des Aurora bat sie, sich an die Bar zu setzen, und fragte, ob sie etwas trinken wollten. Bevor Tresa etwas sagen konnte, bestellte Franco Kaffee.
Der Chef komme gleich, sagte die Frau und machte sich an der Kaffeemaschine zu schaffen.
Die Musik war ziemlich laut. Von den kleinen Tischen waren nur die vordersten zwei besetzt. Auf der Bühne verrenkte sich eine Tänzerin um eine Stange herum. Franco schielte immer wieder zu ihr hinüber. Die Angestellte brachte den Kaffee.
Ein Mann im Anzug kam hereingeschwebt und stellte sich als der Barbesitzer Thomas Zehnder vor.
»Vermissen Sie eine Ihrer Angestellten?«, fragte ihn Franco.
»Vermissen?« Er war sichtlich überrascht. »Nein, es sind alle da. Wollen Sie sie sehen?«, fragte Zehnder, ein glatt rasierter, dynamischer junger Mann. Franco hätte ihn eher in einer Bank vermutet als in einem Bordell. Tresa winkte ab. »Wir wissen ja nicht, wie viele es sein sollten. Aber eine Aufstellung sämtlicher Angestellten, die sie beschäftigen, die würden wir gerne sehen. Und Ihre Bewilligung.« Zehnder kam mit einem Ordner zurück und legte ihn schwungvoll vor ihr auf die Bar.
»Da ist alles drin, was Sie brauchen.«
Tresa blätterte den Ordner durch und stellte Zehnder weitere Fragen, Franco beobachtete wieder die Tänzerin. Sie verrenkte ihre Beine so, dass es einem fast wehtat beim Zusehen. Jetzt ging sie auf allen vieren auf die Gäste in der vordersten Reihe zu. Öffnete den Mund wie ein hungriges Tier. Hinten bewegte sich der rote Vorhang. Oder hatte Franco sich das nur eingebildet? Vielleicht die nächste Tänzerin, die auf ihren Auftritt wartete?
Am Abend ging Julia spazieren. Sie war den ganzen Tag an der Maschine gewesen, um zu flicken, was Sandro verbockt hatte. Er konnte ihr nicht erklären, wieso
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