Berlin blutrot
Selbstmord begangen. Joachim erschrak und brauchte einen Moment, um sich zu fangen. Mühsam fragte er, wie sie sich umgebracht hatte, und Robert erzählte ihm von Schlaftabletten und einer Flasche Champagner. Er hatte ihr noch gar nicht gesagt, dass er sie rauswerfen müsse, sagte Robert. Sie musste es geahnt haben.
Joachim schwieg.
Zwei Wochen später stand Joachim mit seiner Frau an Helenes Grab.
„Du machst dir doch nicht immer noch Vorwürfe?“
„Ich hätte vielleicht noch etwas für sie tun können.“
„Du hast für sie getan, was du konntest. Diese Fernsehsache vermittelt.
Was hättest du sonst für sie tun können, du kanntest sie doch kaum.“
„Ich hätte mich bei Robert für sie einsetzen können.“
„Du hast getan, was deine Pflicht war. Als Kritiker und als Roberts Freund.“
„Ja.“
„Wenn sie klug gewesen wäre, hätte sie ihre Chancen besser genutzt und sich nicht so gehen lassen.“
„Ja.“
„Du hast dich absolut korrekt verhalten.“
„Ja.“
„Du bist ein guter Mensch. Sonst würdest du dir nicht wegen diesem Mädchen solche Gedanken machen.“
Er nickte und legte den Arm um seine Frau.
„Weißt du was, ich bin sehr glücklich, dass ich dich habe.“ Sie legte ihren Kopf auf seine Schulter.
Joachim Hartmann war ein zufriedener Mann.
Happy Birthday
Christoph Spielberg
„Hast du schon mal jemanden umgebracht?“
Was für eine Frage! Trotzdem, selbst Bernds sanft schnurrender 6-Zylinder scheint plötzlich noch ruhiger zu laufen, wartet gespannt auf meine Antwort. Nur der Wagenheber, nicht ordentlich verstaut, klappert leise im Kofferraum. Hinter Michendorf hatte uns eine Reifenpanne erwischt.
„Nun, hast du?“
Bernd ist mein bester Freund, ihm könnte ich es wahrscheinlich sagen.
„Natürlich nicht. Wie kommst du darauf?“
Konzentriert steuert Bernd durch die frühe Herbstdunkelheit. Die in blendfreiem Rot schimmernde Uhr am Armaturenbrett zeigt kurz vor acht. Es ist der Abend des 29. Oktober. Mein Geburtstag. Wir sind auf dem Weg zu Bernds Ferienhaus, irgendwo hier in der Brandenburgischen Pampa.
„Wirklich nicht?“
Im Grunde ist die Frage nicht unberechtigt. Bestimmt sind schon Leute durch mein Tun oder Nichttun gestorben. Das bringt der Arztberuf mit sich.
„Jedenfalls nicht mit Absicht. Überhaupt, was für ein morbides Thema!“
„Ist ja auch ein morbider Tag, oder?“
Das stimmt. Viel morbider als 40. Geburtstag kann es wohl kaum kommen. Der eben noch begehrenswerte Mitdreißiger wird über Nacht zum lüsternen Kerl, dessen Lächeln bei den faltenlosen Mädels höchstens noch Mitleid erregt. Und noch morbider, wenn dieser Kerl sich gerade von seiner Freundin getrennt hat.
„Getrennt? Ich denke, Marianne hat dich verlassen?“
Also werde ich wohl wirklich senil, brabble meine Gedanken schon vor mich hin. Trotzdem, nicht unbedingt feinfühlig, auf
Details herumzureiten, und eigentlich gar nicht Bernds Art.
„Kommt auf den Standpunkt an“ verteidige ich lahm meine Ehre.
Schweigen.
„Und? Schon Trost gefunden? Ich wette, ja!“
Bernd klopft mir auf die Schulter, ein wenig zu hart. Ich zucke zusammen, murmle etwas Unverständliches.
„Was? Mir kannst du es doch sagen, Alter!“
Sehr komisch! Gerade dir werde ich es nie sagen, dir nicht einmal als Allerletztem.
Die Nacht um uns ist im einsetzenden Nieselregen noch dunkler geworden.
„Nun komm schon! Kenne ich Sie?“
Genau, Bernd! Genau das ist das Problem.
„Ich habe mal ne Pause eingelegt. Was dagegen?“
Monika als Pausenfüller? Ich glaube nicht, dass ihr die Vorstellung gefallen würde.
„Du und ne Pause einlegen bei den Frauen!“
Erneut dieses zu harte Schulterklopfen, eine Art von Körperlichkeit, die es sonst zwischen uns nicht gibt, und die mich irritiert.
„Pass lieber auf, wo du hinfährst, Bernd!“
Wir sind unterwegs, uns in Bernds Ferienhaus sinnlos zu betrinken. Nicht, dass es zum sinnlosen Betrinken unbedingt eines Grundes bedarf, aber ich habe zwei: meinen 40. Geburtstag und ich will mich nicht alleine betrinken. Mehr oder weniger versteckte Fragen nach einer Geburtstagsfeier habe ich mit Hinweis auf zwei Wochen Tauchurlaub am Roten Meer abgewimmelt, den ich allerdings erst morgen antrete. Spätestens über Nikosia, rechne ich, sollte der Brummschädel verschwunden sein. Aber inzwischen scheint es keine so gute Idee mehr, mir ausgerechnet mit Monikas Mann die Hucke voll zu saufen.
„Das ist ein richtiges Dreckswetter, Bernd. Lass uns einfach nach
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