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Berlin Gothic 3: Xavers Ende

Berlin Gothic 3: Xavers Ende

Titel: Berlin Gothic 3: Xavers Ende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Winner
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wenig wankte. Er konnte Bentheim nicht dort unten lassen - er konnte ihn aber auch nicht rauslassen -
    ‚Wie habe ich es nur so weit kommen lassen können - was ist nur in mich gefahren … ‘
    Da sah er sie vor sich: Die beiden Hunde, den Grauen und den Struppigen.
    „Wir müssen sie befreien, sie verhungern dort unten doch.“
    Max erhob sich. „Mann, ich versteh kein Wort!“ Er schlenderte zurück zum Beckenrand. Das Wasser spritzte bis auf Tills T-Shirt, als er hineinsprang.
    ‚Wir müssen sie rauslassen, wir müssen die Scheibe einschlagen, sie töten sie doch!‘
    Till sprang auf. Max hatte den Kopf unter Wasser und tauchte quer durch das Becken. Als er am anderen Rand die Wasseroberfläche durchstach, rief Till es ihm noch einmal zu: „Wir müssen sie rauslassen, Max! Jetzt!“
    Max wirbelte den Kopf hin und her, das Wasser spritzte aus seinen Haaren. Er lachte. „Alles klar, Mann, ‚Wir müssen sie rauslassen‘“, er stieß sich vom Beckenrand ab und glitt durch das Wasser zurück zu Till, die Augen aufgerissen, die Stimme verstellt. „‘Wir müssen sie rauslassen, wir müssen sie rauslassen‘ … “
    „Kommst du?“
    Till hielt ihm das Handtuch hin.
    „Wohin denn?“ Max machte keine Anstalten, aus dem Wasser zu steigen.
    „In den Keller des Gartenhauses. Ich hab die Luke aufbekommen.“
    Es waren nur ein paar Worte - aber sie bewirkten, dass sich plötzlich eine Wolkenwand vor die Sonne geschoben zu haben schien. Max‘ Haare standen nicht mehr keck nach oben, sie klebten ihm nass und strähnig über den Augen. Die belustigte Anspannung schien aus seinem Körper gewichen zu sein wie die Luft aus einem Ballon.


     
    In den Röhren, durch die Till Max führte, hatte sich die glühende Hitze, die an der Oberfläche herrschte, noch nicht durchgesetzt. Aber der Gestank nach fauligem Wasser, nach ausgekochten Lumpen und zerfallenden Körpern hatte sich im Laufe des Nachmittags erheblich gesteigert.
    Till hielt sich die Hand vor den Mund, um den Gestank ein wenig abzumildern. Anders als bei seiner ersten Wanderung zusammen mit Bentheim waren sie diesmal nicht allein hier unten, sondern stießen, etwa eine halbe Stunde nachdem sie die gusseiserne Leiter in die Tiefe gestiegen waren, auf eine Gruppe von Leuten, die ein paar Zelte auf einem Zementpodest am Rand des Rinnsals aufgeschlagen hatten. Für einen Moment überlegte Till, ob er sich verlaufen hatte, da er die Zelte nicht bemerkt hatte, als er mit Bentheim hier unten gewesen war. Dann aber beschloss er, einfach weiter zu gehen - immerhin war es ja möglich, dass die Zelte in der Zwischenzeit aufgeschlagen worden waren.
    ‘Er wartet auf dich, Till, er lauert hinter der Tür, er hat sich in dem Schatten der Nische verkrochen. Du wirst ihn gar nicht sehen, du wirst denken, die Nische ist leer, und wirst schon wieder umkehren wollen. Da wird er mit einem gewaltigen Satz auf dich springen, dich zu Boden werfen, über dich hinweg zur Tür krabbeln, er wird seinen Sohn an der Hand nehmen, die Tür zuwerfen, sie werden dich in der Nische zurücklassen! Noch kannst du umkehren - sag Max, dass du ihm die Kanäle zeigen wolltest, dass du nicht weißt, was mit seinem Vater geschehen ist … ‘
    Die Kanalbewohner schauten an ihnen vorbei, ihr glasiger Blick schien auf ein undurchschaubares Ziel fokussiert zu sein, das jenseits von Max und Till liegen mochte. Erst in letzter Sekunde, als die beiden Jungen schon beinahe an ihnen vorüber waren, durchfuhr einen der Männer ein Zittern und mit brüchiger Stimme rief er ihnen zu, was sie denn hier suchen würden, ob sie ihm nicht mit etwas Kleingeld unter die Arme greifen könnten. Ihm zu Füßen lag ein seltsam gewachsener Alter zusammen mit einer gehetzt wirkenden Frau auf einer Matte neben dem Zelt. Ein feuchtwarmer Geruch entwand sich ihnen, das Elend saß in ihrem Blick. Aber sie wirkten nicht so entrückt, wie Bentheim auf Till gewirkt hatte, ihre Blicke waren nicht erloschen, vielmehr verschreckt - und wenn man genau hinsah, konnte man noch die Empfindlichkeit darin entdecken.
    ‚Er hat kein Essen in der Nische, nichts zu trinken, es wird heiß sein dort unten, er wird versuchen, das Wasser zu trinken, das von den Wänden heruntertropft. Er wird sich vergiften, es wird seinen Durst ins hundert-, ins hunderttausendfache steigern. Er wird nach dir rufen, Till, er wird schreien, er wird sich die Stimme blutig brüllen, er wird so wütend, so verzweifelt sein, dass er sich bis in deine Träume

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