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Berlin Gothic 3: Xavers Ende

Berlin Gothic 3: Xavers Ende

Titel: Berlin Gothic 3: Xavers Ende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Winner
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deines Vaters gegeben, weißt du. Es sah aus wie er, die gleichen langen Knochen, der gleiche Anzug, die gleichen Haare, aber es war nicht er . Wenn wir ihn aufschneiden würden“ - bevor er sich auch nur vorstellen konnte, was er da sagte, flogen die Worte schon aus seinem Mund - „würden wir es sehen, dass es kein Fleisch ist, keine Adern, keine Knochen, dass es eine grüne Masse ist, die sich verformt.“ ‚Warum grün? Warum grün? War das nicht lächerlich?‘ „Sie haben ihn ausgehöhlt, du hast es selber gesagt.“ Hatte Max das wirklich? Ja! Natürlich! Er hatte es gesagt!
    Till sah, wie Max seine Arme zwischen den Beinen hervornahm, ineinander verkreuzte und eng an seinen mageren Körper presste. Ein Zittern durchlief ihn. Er hatte die Augen fest geschlossen.
    „Du hört mir nicht zu“, kam es zwischen Max‘ Lippen hervor.
    ‚ER hört mir nicht zu‘, zischelte es in Tills Kopf.
    „Du hast es selbst gesagt, Max. Ich … ich kann nichts dafür, ich musste das tun, er … weißt du, ich konnte es doch nicht wissen, er hätte sich doch plötzlich verformen können? Die Wellen unter der Haut, erinnerst du dich? Das Tier hätte doch plötzlich aus ihm herausplatzen können, hier unten in den Kanälen. Ich wusste nicht, was passieren würde, er kam mir vor wie ein Rieseninsekt, das durch die Röhren huscht. Er hatte mir den Kopf verdreht, ich wusste nicht, ob wir nach oben liefen oder nach unten, immer tiefer hinein. Ich hatte Angst, ich konnte ihm nicht trauen. Das war kein Laufen mehr, das war ein fliegendes Krauchen, ein Huschen, ein Krabbeln, und ich fürchtete, dass er mich stechen könnte, vergiften. Dass ich nicht mehr zurückfinden würde, nicht merken würde, wie auch ich mich veränderte.“
    Till hatte ganz vergessen, Luft zu holen. Fast erstickt brach er ab, flache Atemzüge jagten durch seine Brust.
    „Ich hab es mir ausgedacht“, murmelte Max, zusammengerollt wie er war, das Kinn auf die Brust gepresst, die Arme verschränkt.
    „ WAS? Was hast du dir ausgedacht! “, schrie Till ihn an. ‚Was hat er sich ausgedacht?‘, peitschte es durch sein aufgewühltes Gehirn. ‚Was denn - warum redet er nicht?!‘
    „Die Abteilung, Mann, die Scheiß-Abteilung im Krankenhaus.“
    ‚Er hat sie sich ausgedacht - aber sein Vater ist tot‘, hallte es in Tills Kopf. ‚Und ich hab ihn getötet.‘
    Gleichzeitig war es, als ob die Panikstöße - ‚es ist wirklich passiert - ich hab nicht geträumt - es ist kein Spiel - es wird nie wieder weggehen - immer so bleiben - ich war derjenige, der die Tür zugeworfen hat‘ - als würden sie langsam abebben, zurückgehen, sich verflüchtigen, denn ein anderer Strom schien sein Bewusstsein zu erfassen, ein Strom von dem er zuerst spürte, wie mächtig er war - und danach realisierte, was er ihm einflüsterte: ‚Er hat es sich ausgedacht.‘
    Till krallte sich rechts und links von seinen Beinen mit den Händen in die kleine Mauer. Er wagte es nicht, Max anzusehen, sein Blick war schnurgerade in die Röhre gerichtet. „Du hast es dir ausgedacht.“
    Er spürte das Nicken neben sich.
    ‚Er hat es sich ausgedacht.‘
    „Es gibt die Abteilung nicht.“
    „Ich … Till, ich hab es nicht mehr ausgehalten, mein Vater … er hat mich völlig fertig gemacht … ich brauchte deine Hilfe.“
    Till nahm vage wahr, wie sich Max ihm zugewandt hatte. „Ich wollte es dir gleich sagen, aber dann war es schon wieder zu spät. Und mir ging es im Krankenhaus wirklich nicht gut. Ich dachte, dass mein Vater, dass er nicht so sein konnte, dass … dass irgendwas mit ihm passiert sein musste, ich hab es doch selbst fast geglaubt.“
    Schwarze Leere tat sich in Till auf.
    „Ich brauchte deine Hilfe, ich wollte, dass jemand mir gegen ihn beisteht. Er hätte mich doch einfach zerquetscht, ich konnte nicht mehr, ich … ich hab alles versucht, aber … er hat doch nicht mehr aufgehört, ist einfach über mich hinweggegangen, durch mich hindurch. Es war ihm ganz egal, was aus mir wurde, er sah nur sich, sah, wen er als Sohn haben wollte … Ich hab seine Schuhe in meinem Bauch gespürt und wollte nicht draufgehen … Deshalb habe ich das von der Abteilung erzählt. Konnte es denn nicht wirklich so sein? Dass er so war, weil er nicht mehr er selbst war, weil sie ihn ausgetauscht hatten?“
    „Aber es war nicht so.“
    Max keuchte. „Natürlich nicht“, die Stimme jetzt brüchig und  kratzend. „Natürlich nicht, sowas gibt es doch nicht.“
    ‚ABER ICH HABE IHN WIRKLICH

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