Berlin Gothic 3: Xavers Ende
zurück durch die Tür nach draußen. Max schaute auf und sein Gesicht schien sich verändert zu haben.
„Du hast ihn hier unten eingesperrt, Till.“ Seine Stimme wirkte tiefer als sonst, rauer.
„Es war nicht mehr dein Vater, Max, du hättest ihn sehen sollen, ich weiß auch nicht genau, was es war, aber es hatte ihn in der Gewalt.“
Es war wie ein Schlag mit einem Stock, als Max es ihm ins Gesicht schrie: „Was weißt du denn?“, raste er. „Mein Vater hat dich aufgenommen - und du?“
Er brach ab, ein heftiger Schauer erschütterte ihn. Abrupt wandte er sich um und rannte - weg von Till, weg von der Tür, weg von dem schwarzen Bündel, das dahinter lag.
6
Als Till ihn endlich eingeholt hatte, saß Max auf einer halbhohen Mauer, hinter der Wasser aus einem Seitenkanal in die Hauptröhre geleitet wurde. Max‘ Beine hingen von der Mauer herunter, seine Füße berührten den Boden nur, wenn er die Zehen ganz nach unten streckte. Er hatte seine Arme auf die Schenkel gelegt, die Hände baumelten zwischen seinen Beinen herunter, der Oberkörper war ein wenig nach vorn geknickt.
Till ging um ihn herum, stemmte die Hände auf die Mauer und sprang hinauf - drehte sich im Sprung so, dass er neben Max zu sitzen kam.
Max rührte sich nicht.
Vor Tills Augen tanzten Schattenbilder der Leiche mit dem eingedrückten Schädel. Immer wieder glaubte er, Bentheims Augen auf sich gerichtet zu sehen, aber bevor das Bild richtig Gestalt annehmen konnte, verschwamm es auch schon wieder.
„Wegen der Hunde, Max, weißt du“, murmelte Till, „ich sollte sagen, welchen sie töten sollen. Ich habe deinen Vater überhaupt nicht verstanden.“
Er warf Max einen raschen Seitenblick zu. Die Haare des Freundes standen in alle Richtungen ab, seine Unterlippe war einen Millimeter weit vorgeschoben.
„Ich wollte ihn nicht einschließen, ich wollte nur, dass es aufhört, dass er aufhört, so auf mich einzureden.“
‚So war es doch gar nicht‘, zischelte es in Till, ‚er hatte doch gar nichts mehr gesagt, ihr seid doch einfach nur schweigend den Gang entlang gelaufen - ihr seid fast geflogen, erinnerst du dich? Als hättest du durch eine Schranke aus Luft in den Bereich gefunden, in dem er sich schon immer aufhielt. Aber dann hast du es dir plötzlich anders überlegt, wolltest das alles nicht mehr, warst dir nicht mehr sicher - und hast ihn in eine Falle gelockt.‘
„Ich musste an die Abteilung denken“, Tills Stimme war heiser, „ich wollte dort nicht hin. Das war nicht dein Vater, Max, du hast es selbst gesagt. Weiß der Teufel, was es war, aber es hatte mich … das hab ich genau gespürt … es hatte mich irgendwie in seine Gewalt gebracht. Für einen Moment war ich in seiner Welt, aber dann, im letzten Augenblick“, er flüsterte nur noch, „hab ich mich dagegen gewehrt. Ich wollte nicht einer von ihnen sein, einer dieser Aliens, einer von denen, die sich verändern, die keine Menschen mehr sind, die sich verformen … “
Er schwieg. Max sagte kein Wort.
Eine Zeit lang saßen sie auf der Mauer, lauschten dem Gluggern, das durch die Röhren aus weiter Ferne zu ihnen drang. Weit über ihnen musste die Hitze jetzt ihren Höhepunkt erreicht haben. Till spürte, wie aus dem Seitenkanal, dem sie ihre Rücken zukehrten, die Hitze kam - während aus dem Hauptkanal, in den sie hineinschauten, noch immer kühlere Luft nach oben wehte.
„Es gab sie garnicht.“
Was? Till atmete aus. Wie sollte es jetzt weiter gehen? Erst ganz langsam, als würde es wie Marmelade in seinen Kopf tropfen, begann er zu ahnen, was das, was er getan hatte, bedeutete. Er hatte Bentheim … er hatte ihn … Till wagte es nicht einmal, daran zu denken.
„Ich hab mir das doch nur ausgedacht.“ Max‘ Kopf sackte noch ein Stückchen nach vorn.
Till konnte sich nicht auf das konzentrieren, was Max neben ihm sagte. Er hatte Bentheim … getötet. Kaum war das Wort durch seinen Kopf geschossen, fühlte Till, wie ihm kalt wurde. Er hatte ihn getötet.
‚Getötet.‘
Um ein Haar wäre er von der Mauer gefallen. Getötet - den Vater von Max, der hier neben ihm saß.
„Ich hab es mir ausgedacht, verstehst du?“
„Ich hab ihn getötet“, entfuhr es Till - und als würde er das erst jetzt begreifen, sah er Max mit aufgerissenen Augen an. „Aber er war nicht mehr er selbst, Max. Das war nicht dein Vater.“ Jetzt sprudelten die Worte nur so aus Till heraus. „Es war wirklich ein Alien, eine weiche Masse. Es hatte sich die Gestalt
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