Berlin Gothic 4: Der Versteckte Wille
gelaunten, ausgeglichenen Eindruck gemacht.“ Till stützte den linken Ellbogen auf den Tisch. „Wirklich, ich würde das sonst nicht sagen. Max hat mir gut gefallen. Es steckte so etwas wie eine … wie soll ich sagen … eine Entschlossenheit in ihm? Als hätte er sich für etwas Bestimmtes entschieden und würde jetzt wissen, woraufhin er zusteuern soll.“
„Hat er das gesagt?“ Lisa warf ihm einen Blick zu. „Ich meine, habt ihr darüber gesprochen?“
„Lisa, ich habe ihn gestern zum ersten Mal seit einem Jahr gesehen. Es hat doch keinen Sinn, wenn ich ihn überfalle, ihn anschreie, dass er mir sagen soll, was er vorhat … “
Wer hatte denn etwas von anschreien gesagt? Till zog den Ellbogen von der Tischplatte wieder herunter und verschränkte die Arme. „Wenn ich ihn nachher treffe, versuche ich nochmal mit ihm zu reden, okay?“, schlug er vor. „Kennst du diese Irina eigentlich, zu der er mich mitnehmen will?“
Lisa schien ihn kaum gehört zu haben.
„Lisa?“
Sie zuckte unmerklich zusammen. „Irina? Ja … ja, ich hab sie ein paarmal getroffen. Sie ist nett, sie ist mit Quentin zusammen.“ Sie atmete aus.
Tills Blick blieb einen Moment an Lisa hängen. Ihm fiel auf, wie lässig und unbekümmert ihr Styling wirkte. Eine Mischung aus Frische, Klugheit und Eigenwillen, die ihm immer gut gefallen hatte, und durch die sich Lisa in seinen Augen zum Beispiel von so einem Mädchen wie Nina unterschied. Nina war mit ihren braunen, langen Haaren, dem irgendwie biegsam wirkenden Körper und den samtfarbenen Augen eine weibliche Erscheinung, bei der Till unwillkürlich an Sex denken musste. Bei Lisa hingegen fühlte er sich immer erst einmal gemüßigt, zu überlegen, ob er ihr mental überhaupt gewachsen war.
„Was machst du denn jetzt“, fragte er, nachdem sie eine Weile geschwiegen hatten. „Wirst du bei dem Blatt anfangen?“ Lisa hatte ihm erzählt, dass sie ihr Volontariat bei der Zeitung inzwischen abgeschlossen hatte. „Richtig als Reporterin? Ich stell mir das sehr spannend vor.“
Lisa stellte den Styroporbecher mit dem Kaffee zurück auf den Tisch. „Ja … ja, ich dachte auch, dass es gut werden könnte … “
„Aber?“
„Weiß nicht.“ Sie gab sich einen Ruck. „Vielleicht fange ich dort an, ein Angebot haben sie mir schon unterbreitet. Ich habe vier Wochen Zeit, es mir zu überlegen.“ Ihr Blick ruhte auf seinem Gesicht. „Weißt du denn schon, wie lange du in Berlin bleiben wirst?“
Till machte mit seinem Becher Kreisbewegungen, so dass der Cappuccino darin in einen kleinen Strudel versetzt wurde. „Ein paar Tage, dachte ich.“
„Hast du was Bestimmtes vor?“ Sie sah ihn noch immer an.
Till lächelte. „Euch treffen?“ Pause. „Dich treffen.“
Sie nickte. „Sonst?“
„Nicht viel. Nichts eigentlich.“
„Musst du nicht was für deine Arbeit tun?“
Bei dem Gedanken an das, was er in seinem Arbeitszimmer zurückgelassen hatte, befiel Till ein leichtes Schwindelgefühl. „Ein paar Tage werde ich mir ja wohl frei nehmen können … “
Lisa strich sich eine Haarsträhne hinters Ohr. „Was … worum geht es denn in deiner Arbeit eigentlich, kannst du schon was sagen?“
Till warf einen Blick auf die Straßenuhr, die schräg von ihm auf dem Platz stand. Kurz vor vier. Max wollte ihn um vier hier abholen, aber er kam eigentlich immer ein wenig zu spät. Till sah zu Lisa. „Meinst du wirklich, dass du das wissen willst?“
Er bemerkte, wie so etwas wie Spott in ihrem Blick aufglomm. „Ich will ja nicht die extralange Vollversion. In einem Satz!“
„In einem Satz … “ Till überlegte. „Hast du mal was von der Frage gehört, ob die Gegenstände der Mathematik real existieren?“
„ Was? “
Es kam ihm so vor, als hätten sich ihre Pupillen ein wenig verkleinert.
„Die Sätze der Mathematik … wenn ein Mathematiker ein neues Theorem beweist - was hat er dann gemacht? Hat er es aus den bereits bekannten Sätzen abgeleitet, also neu konstruiert - oder hat er einen weiteren Bestandteil einer mathematischen Welt entdeckt , die auch ohne ihn existiert, und nur sozusagen den Weg gefunden, der dort hinführt?“
Lisa zog den Kopf ein wenig zurück. „Machst du jetzt Mathematik, oder was?“
„Nein … “, Till rieb sich mit der rechten Hand im Auge, „aber das, was ich mache, lässt sich am einfachsten durch diese Analogie erläutern - “
„Entschuldige, aber ich verstehe kein Wort“, unterbrach sie ihn.
„Pass auf“, er
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