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Bernhard Gunther 03 - Alte Freunde neue Feinde

Bernhard Gunther 03 - Alte Freunde neue Feinde

Titel: Bernhard Gunther 03 - Alte Freunde neue Feinde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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tragen.»
    Das schien eine sehr wienerische Auffassung zu sein. Doch als wir Becker sahen, kam er uns kaum betroffen vor. Nachdem eine Schachtel Zigaretten den Wärter überre det hatte, uns drei im Sprechzimmer allein zu lassen, ver suchte ich herauszubekommen, warum.
    «Es tut mir leid wegen Traudl», sagte ich. «Sie war wirk lich ein liebenswertes Mädchen.»
    Er nickte ausdruckslos, als habe er Liebl zugehört, der ihm irgendein langweiliges juristisches Detail erklärte.
    «Ich muß sagen, es scheint Sie nicht sehr aus der Fassung zu bringen», bemerkte ich.
    «Ich gehe damit auf die beste Art um, die ich kenne», sagte er ruhig. «Es gibt nicht viel, was ich hier tun kann. Es ist möglich, daß sie mich nicht mal an der Beerdigung wer den teilnehmen lassen. Was, glauben Sie, empfinde ich? »
    Ich wandte mich an Liebl und fragte ihn, ob er wohl für eine Minute den Raum verlassen würde. «Ich möchte Herrn Becker etwas unter vier Augen sagen.»
    Liebl warf Becker einen raschen Blick zu, und dieser nickte kurz. Keiner von uns sprach, bis die schwere Tür sich hinter dem Anwalt geschlossen hatte .
    . «Spucken Sie' aus, Berni », sagte Becker mit einem halben Gähnen. «Was haben Sie auf dem Herzen?»
    «Es waren Ihre Freunde von der Org, die Ihr Mädchen umgebracht haben», sagte ich und versuchte in seinem lan gen, schmalen Gesicht eine Gefühlsregung zu erkennen. Ich war nicht sicher, ob es stimmte oder nicht, aber ich war scharf darauf, zu sehen, was es bei ihm auslösen würde. Aber es erfolgte nichts. «Tatsächlich haben Sie mich aufgefordert, sie zu töten.»
    « Aha», sagte er und kniff die Augen zusammen, «Sie sind in der Org.» Sein Ton verriet Vorsicht. «Wann passierte das?»
    «Ihr Freund König hat mich angeworben.»
    Sein Gesicht schien sich ein wenig zu entspannen. «Ja, ich dachte mir schon, daß es nur eine Frage der Zeit sein würde. Um ehrlich zu sein, ich war mir keineswegs sicher, ob Sie

    nicht schon in der Org waren, als Sie in Wien ankamen. Sie mit Ihrem Hintergrund gehören zu den Männern, die sie mit Vorliebe anwerben. Sie sind fleißig gewesen, daß Sie jetzt drin sind. Ich bin beeindruckt. Sagte König, warum er von Ihnen verlangte, Traudl umzubringen?»
    « Er erzählte mir, Traudl sei eine KGB-Spionin. Er zeigte mir ein Foto, auf dem sie im Gespräch mit Poroschin zu se hen war.»
    Becker lächelte traurig. « Sie war keine Spionin», sagte er kopfschüttelnd, « und sie war nicht mein Mädchen. Sie war Poroschins Freundin. Ursprünglich gab sie sich als meine Verlobte aus, damit ich mit Poroschin in Kontakt bleiben konnte, während ich im Gefängnis war. Liebl wußte nichts davon. Poroschin sagte, Sie wären überhaupt nicht scharf darauf gewesen, nach Wien zu kommen. Er sagte, Sie schie nen keine sehr hohe Meinung von mir zu haben. Er fragte sich, ob Sie sehr lange bleiben würden, wenn Sie denn kä men. Also hielt er es für eine gute Idee, wenn Traudl ein biß chen auf Sie einwirkte und Sie davon überzeugte, daß es draußen jemanden gebe, der mich liebte, der mich brauchte. Er ist ein vorzüglicher Menschenkenner, Berni. Kommen Sie, geben Sie schon zu, Traudl ist der halbe Grund, warum Sie in meinem Fall am Ball geblieben sind. Weil Sie glaubten, daß wenn schon nicht ich, wenigstens Mutter und Baby das Vor recht des Zweifels verdienten.»
    Jetzt war es Becker, der mich beobachtete und auf eine Re aktion lauerte. Merkwürdigerweise war ich überhaupt nicht wütend. Ich hatte mich daran gewöhnt, daß man mir jedes mal immer nur die halbe Wahrheit sagte.
    « Also war sie auch keine Krankenschwester, nehme ich an.»
    « Oh, doch, sie war Krankenschwester. Sie pflegte für mich Penicillin zu stehlen, das ich auf dem schwarzen Markt ver kaufte. Ich war es, der sie mit Poroschin bekannt machte.» Er zuckte die Achseln. « Eine Weile wußte ich gar nichts über die beiden. Aber ich war nicht überrascht! Traudlliebte ein gu tes Leben, wie die meisten Frauen in dieser Stadt. Sie und ich waren sogar für kurze Zeit ein Liebespaar, aber so etwas ist in Wien nie von sehr langer Dauer.»
    « Ihre Frau sagte, daß Sie Poroschin Penicillin zur Behand lung einer Geschlechtskrankheit besorgten? Stimmt das? »
    « Ich besorgte ihm Penicillin, das stimmt, aber es war nicht für ihn, sondern für seinen Sohn. Er hatte Meningitis. Ich glaube, es grassiert eine Epidemie. Und es fehlt an Antibio tika, vor allem in Rußland. In der Sowjetunion fehlt es an al lem, außer an

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