Bernsteinsommer (German Edition)
ihm von Anfang an nur darum gegangen sei, sie ins Bett zu bekommen.
Bei diesen Gedanken lachte er bitter auf. Natürlich war es ihm in erster Linie darum gegangen, oder etwa nicht? Diesem heftigen Drängen hatte er ohnehin nichts mehr entgegenzusetzen gehabt. Niemals zuvor hatte er eine Frau auf diese umfassende Weise begehrt – und niemals zuvor hatte er eine tiefere Befriedigung erfahren, als er sie dann endlich besessen hatte.
Er wollte sie schon wieder. Finn stöhnte entnervt auf.
Und plötzlich wusste er, dass er Kira Lengrien immer begehren würde – eine Gewissheit von beängstigender Klarheit machte sich in seinem Kopf breit und wollte nicht wieder verschwinden. Die Leidenschaft für diese Frau hatte sich tief in seinem Inneren eingenistet, und er würde sie nie mehr loswerden. So einfach war das. Einfach?
Idiot!
Wem machte er hier eigentlich etwas vor? Es war nur eine Frage der Zeit, bis er auffliegen würde. Ein Wort nur zu ihrem Vater! Nur eine einzige kleine Bemerkung von Kira konnte ihn bereits seinen Job und einen guten Freund kosten – und vor allem Kira!
Kira würde so schnell wieder aus seinem Leben verschwindenwie ein wunderbarer Tagtraum, eine Träumerei voller Leidenschaft, die er niemals vergessen würde. Es war aussichtslos und unabänderlich. Er würde sie schon sehr bald wieder verlieren, daran hatte er nicht den geringsten Zweifel. Die Gewissheit ließ seinen Magen rebellieren.
Finn beugte sich leicht vor und rieb sich mit beiden Händen kräftig über das Gesicht, dann gab er nach. Ohne den hellen Punkt auf seinem Bildschirm aus den Augen zu lassen, griff er endlich nach dem Telefon.
„Kira?“
„Finn! Ich habe mich schon gefragt …“
„Sehen wir uns heute noch?“, fragte er schnell, bevor er es sich wieder anders überlegen konnte.
„Klar!“
Finn konnte direkt hören, wie die Vorfreude dieses wunderschöne Lächeln auf ihr Gesicht zauberte. Er schloss kurz die Augen, sah ihren weichen, vollen Mund vor sich und fühlte augenblicklich das Blut in seinen Lenden pochen.
„Gott, ich vermisse dich, Kira!“
Es war heraus, noch bevor er es hatte verhindern können.
„Ich dich auch“, antwortete sie leise. Der Anflug von Erleichterung in ihrer Stimme war nicht zu überhören und schürte aufs Neue sein schlechtes Gewissen. „Willst du wieder hierherkommen oder soll ich …?“
„Nein, nein. Ich werde zu dir kommen“, unterbrach er sie rasch und bemerkte fast gleichmütig, wie allein ihre Stimme ihn schon zu erregen vermochte. „Aber ich … habe noch ein bisschen zu tun. Ich komme zum Abendessen zu dir. Ist das okay für dich?“
„Natürlich ist das okay für mich.“
„Und mach dir nicht wieder so viel Mühe. Mir reicht auch ein Spiegelei auf Brot.“
„Ich werde uns schon etwas zaubern. Bis dann, Finn.“
„Bis dann, Süße.“
„Ach Finn?“
„Ja?“
„Wirst du dieses Mal über Nacht hierbleiben?“
„Ja.“
Einige Minuten später saß Finn bereits in seinem Wagen und fuhr zum Anleger hinunter. Der Sender mit dem Vibrationsalarm auf seiner Armbanduhr war aktiviert, somit konnte sich also niemand ohne sein Wissen Kiras Grundstück nähern.
Finn parkte das Auto und ging mit langen Schritten auf die Eingangstür von Magda Quints Laden zu. Als er eintrat, stand allerdings die ältere Frau hinter dem Verkaufstresen, mit der Magda am Samstag im Gasthof zusammengesessen hatte, und blickte ihm freundlich entgegen.
„Hallo, Herr Andersen, was kann ich für Sie tun?“, fragte sie lächelnd.
„Ähm, ist Magda heute nicht hier? Ich wollte eigentlich zu ihr.“ Er konnte sich nicht daran erinnern, dass er Magdas Freundin vorgestellt worden war, und fühlte sich ein bisschen unangenehm berührt, weil sie ihn so selbstverständlich mit seinem Namen ansprach, während er selbst nicht genau wusste, mit wem er es hier zu tun hatte.
„Oh, sicher … Sie ist oben in ihrer Wohnung. Am Montag macht sie immer ab Mittag frei. Warten Sie, ich werde kurz oben anrufen.“ Wieder lächelte sie.
Finn nickte und rang sich ebenfalls ein kleines Lächeln ab. Während die Frau telefonierte, sah er sich ein wenig im Laden um.
„Alles klar, Herr Andersen“, sagte Magdas Freundin. „Sie können hinaufgehen. Kommen Sie einfach um den Tresen herum. Ich zeige Ihnen den Weg.“
„Das ist nett, danke, Frau …?“
„Oh, entschuldigen Sie, ich habe mich Ihnen ja noch gar nicht vorgestellt“, sagte sie, während sie bereits vor ihm eine schmale Treppe hinaufstieg.
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