Bernsteinsommer (German Edition)
kommen. Natürlich fand sie es schade, dass Christina gerade heute einen wichtigen Termin im Verlag wahrnehmen musste, aber das ließ sich nun einmal nicht ändern.
Langsam spazierte sie an mehreren Schaufenstern vorbei und blieb schließlich vor dem eines bekannten Dessousherstellers stehen. Ihr Blick fiel auf ein kleines cremefarbenes Seidenhöschenmit hauchzartem Spitzeneinsatz, das die Schaufensterpuppe genau in der Mitte der Auslage trug. Vor Kiras innerem Auge entwickelte sich praktisch sofort ein anderes Bild: ein zerrissenes cremefarbenes Seidenhöschen in einer kräftigen braun gebrannten Männerhand. Aufgewühlt fühlte sie, wie sich prickelnde Hitze unter ihrer Haut ausbreitete. Zornig über ihre eigenen Gedanken schüttelte sie ihren Kopf, und ihr Blick wurde wieder klar. Noch einmal streifte ihr Blick das cremefarbene Wäschestück, doch gerade als sie sich abwenden wollte, um weiterzugehen, entdeckte sie die Spiegelung eines anderen Gesichts in der Scheibe des Schaufensters. Ruckartig drehte sie sich um und blickte genau in Finns dunkle Augen. Einen endlosen Augenblick lang verlor sie sich darin, doch dann gewann die Wut wieder die Oberhand über ihr Denken.
„Was machst du hier?“, presste sie aufgebracht hervor.
Ohne auf ihre Frage einzugehen, deutete er auf das Schaufenster. „So eines bin ich dir noch schuldig.“
„Untersteh dich!“
Sie wandte sich ab und marschierte mit hoch erhobenem Kopf weiter. Offensichtlich in der Absicht, ihn nicht weiter zu beachten, doch er folgte ihr und das noch nicht einmal unauffällig.
„Verschwinde, Finn!“, stieß sie nach einer Weile mit gepresster Stimme hervor.
Er reagierte nicht, sondern blieb ihr einfach auf den Fersen. Irgendwann hielt sie abrupt an, und um ein Haar wäre er mit ihr zusammengestoßen. Als sie sich erneut zu ihm herumdrehte, standen sie plötzlich so dicht beieinander, dass Kira unweigerlich einen kleinen Schritt zurück machte. Trotzdem trennten sie auch jetzt nur wenige Zentimeter voneinander, und sie musste den Kopf heben, um ihn ansehen zu können. „Ich habe gesagt, du sollst mir aus den Augen bleiben, verdammt!“
Er sagte noch immer nichts, sondern schüttelte nur mit eherner Miene seinen Kopf. Dann setzte er sich eine verspiegelte Sonnenbrille auf die Nase. Jetzt konnte sie noch nicht einmal mehr seine Augen erkennen, und das machte sie noch wütender.
„Finn, das ist überhaupt nicht witzig!“ Ihre Stimme überschlugsich fast. Während sie sprach, wühlte sie in ihrer Handtasche nach ihrem Handy. „Okay, dann werde ich jetzt eben die Polizei rufen und einfach behaupten, dass ich von dir belästigt werde.“
„Keine Chance, Süße. Die werden dich nur auslachen, denn schließlich bin ich ganz hochoffiziell dein persönlicher Bodyguard.“ Er verzog noch immer keine Miene, auch wenn ihre direkte Nähe ihm schwer zu schaffen machte. „Mir gefällt das auch nicht sonderlich, darauf kannst du wetten“, setzte er nach.
„Na, bravo!“ Kira stampfte mit dem Fuß auf und schnaubte. „Was muss ich tun, damit du mich in Ruhe lässt, Andersen? Sag mir, was es mich kostet, Dobermann!“
Finn räusperte sich. Ihr Duft stieg ihm in die Nase und vernebelte ein wenig seine Sinne, ja, er bildete sich sogar ein, Kiras Atem schmecken zu können. Äußerlich ließ er sich jedoch nichts anmerken. „Ich bin nicht käuflich“, sagte er rau.
„Ach nein? Das habe ich irgendwie anders in Erinnerung.“
„Dann verwechselst du wohl ehrliche und bezahlte Arbeit mit Bestechlichkeit.“ Zu ihrer großen Erleichterung nahm er die Sonnenbrille wieder ab, und sein dunkler, unergründlicher Blick bohrte sich in ihre Augen.
In Kira stieg Hitze auf, und sie ärgerte sich maßlos darüber, dass dieser Mistkerl im Gegensatz zu ihr nicht die geringste Gefühlsregung zeigte. Sie konnte nicht wissen, dass es unter der unnachgiebigen Oberfläche, die er zur Schau trug, bereits brodelte, als wären sämtliche Höllenfeuer unter ihm angezündet worden.
Weil sie nicht weiterwusste, wandte sie sich schließlich wieder ruckartig von ihm ab und marschierte demonstrativ Richtung Parkdeck. Wütend bemerkte sie, dass sein kleiner Geländewagen direkt neben ihrem eigenen Auto stand. Wieder einmal sah sie geflissentlich an ihm vorbei, stieg ein und fuhr los.
Finn selbst saß kaum in seinem Auto, als sein Handy klingelte. Er fluchte, fischte es dann aber doch aus seiner Jackentasche und meldete sich.
„Finn?“
„Magda! Nanu, vermisst du mich jetzt
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