Bernsteinsommer (German Edition)
auch ziemlich genau bestimmen, was Kira gerade tat. Nachdem das Rauschen der Dusche eine Weile verklungen war, hörte er sie im Zimmer auf- und ablaufen. Schließlich stand er auf, ging hinüber zur Schlafzimmertür und drehte den Schlüssel im Schloss. Dann klopfte er.
„Kira, die Tür ist jetzt offen. Wenn du frühstücken willst, bitte. Es ist alles fertig“, rief er durch die geschlossene Tür.
Ohne auf eine Antwort zu warten, ging er zurück in die Küche und setzte sich wieder an seinen Platz. Einen Fluchtversuch brauchte er kaum zu befürchten, denn die Wohnungstür war noch immer abgeschlossen, und die Schlüssel befanden sich sicher in seiner Hosentasche. Dass er Kira während der Nächte im Schlafzimmer einschloss, war allerdings unumgänglich, da er nachts üblicherweise sehr fest schlief. Er wollte einfach kein unnötiges Risiko eingehen – und er hatte auch keine Lust dazu, auf dem Sofa zu schlafen, wenn es ein Gästezimmer mit einem bequemen Bett gab.
Kaum fünf Minuten, nachdem Finn die Schlafzimmertür aufgeschlossen hatte, kam Kira zu ihm in die Küche. Ihr Blick streifte sein Gesicht nur sehr kurz, dann setzte sie sich ihm gegenüber und betrachtete den gut gedeckten Frühstückstisch.
„Warst du schon einkaufen?“, fragte sie mit einer Stimme, der man ihren unterdrückten Zorn noch immer deutlich anhören konnte.
Finns linker Mundwinkel hob sich leicht. „Dafür habe ich meine Leute. Wir werden hier mit allem versorgt, mach dir also keine Sorgen, verhungern werden wir sicherlich nicht.“
„Wie außerordentlich beruhigend“, zischte sie.
„Du kannst dir gerne schon mal überlegen, worauf du heute Abend Appetit hast.“
„Wie wäre es mit geschnetzeltem Wachhund in Machosoße?“
Er grinste und schenkte ihr Kaffee ein. „Nun, deinen Humor scheinst du jedenfalls noch nicht verloren zu haben. Ach ja, ein Mitarbeiter von mir hat übrigens deinen Wagen zur Villa deines Vaters gebracht. Du brauchst hier ja im Augenblick keinenfahrbaren Untersatz.“
Kira schäumte innerlich, aber sie wollte sich keine weitere Blöße geben. Sie atmete tief durch und nahm einen Schluck Kaffee. Dann griff sie nach einem Croissant, das sie in zwei Teile brach, ohne jedoch davon zu essen.
Einige Minuten blieben sie beide still.
Als Finn sie wieder direkt ansah, bemerkte er, dass sie sich offensichtlich keine besondere Mühe mit ihrem Aussehen gegeben hatte; ihm gefiel das irgendwie, weil es sich so seltsam vertraut und alltäglich anfühlte. Sie trug Jeans und ein einfaches hellblaues T-Shirt. Ihre Haare waren noch feucht vom Duschen, und ihr Gesicht war vollkommen ungeschminkt – er fand sie hinreißend.
„Warum macht ihr das mit mir?“, fragte sie schließlich und riss ihn damit aus seinen Gedanken.
„Weil es das Beste für dich ist, Süße.“
„Du bist wirklich unerträglich selbstgerecht, Finn!“ Sie schluckte, als er erneut leicht lächelte. „Warum hat Christina dir einfach so ihre Wohnung überlassen?“
„Vielleicht, weil du ihr sehr wichtig bist. Du kannst sie ja fragen, wenn du sie das nächste Mal siehst. Sie wird dir ihre persönlichen Beweggründe sicherlich gerne näher erläutern.“
„Finn, bitte! Ich will wissen, was los ist.“
Er räusperte sich und schenkte Kaffee nach. „Torben Brockmann hat Sameland verlassen. Ich hielt es für besser …“
„Du hieltest es für besser!“, unterbrach sie ihn aufgebracht.
„Ja, und dein Vater hat mir auf der ganzen Linie recht gegeben.“
„Das ist doch vollkommen albern und übertrieben, Finn! Torben ist … Torben ist trotz allem ein Freund.“
Er lachte bitter auf. „Ein Freund! Dass ich nicht lache! Ein Freund, der dich wahrscheinlich, ohne mit der Wimper zu zucken, vergewaltigt hätte, wenn ich nicht in deiner Nähe gewesen wäre. Schon mal darüber nachgedacht, Prinzessin?“
„Ich wäre schon irgendwie mit ihm fertiggeworden“, erwiderte sie schnippisch und reckte ihr Kinn ein wenig in die Höhe.
„Hoheit belieben zu träumen“, schnappte er zurück und verzog seinen Mund zu einem überlegenen Lächeln.
„Du bist …“
„Widerlich? Wolltest du das sagen? Das hatten wir doch schon.“
Kira spürte, wie ihr das Blut ins Gesicht schoss, und holte tief Luft, um die Tränen der Wut zu unterdrücken, die sich bereits drohend ankündigten. Es war einfach nicht fair von ihm, sie jetzt an den Vorfall von gestern Abend zu erinnern. Er musste doch wissen, wie unangenehm ihr das war! Sie schluckte heftig.
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