Bestien
den Laden, und Sharon blieb vor
einem vergleichsweise kleinen Sortiment alkoholfreier
Getränke stehen.
Da gab es nichts außer Fruchtsäften und Mineralwasser mit
und ohne Kohlensäure, und sie besah es mit Widerwillen. »Ich
mag dieses Zeug nicht«, sagte sie. »Wo sind die anderen
Sachen?«
»Das ist alles. Wer was anderes möchte, muß es von
außerhalb holen. Aber niemand tut es. Mineralwasser ist
gesund, und wenn man sich erst daran gewöhnt hat, trinkt man
es gern.«
Sharon starrte ihre Freundin an. War es ihr Ernst? Es konnte
nicht sein! Schließlich war es ein Supermarkt, der zu einer über
das ganze Land verbreiteten Ladenkette gehörte.
Im Weitergehen fielen Sharon mehr und mehr Unterschiede
zwischen diesem Markt und denjenigen auf, die sie gewohnt
war.
Die Abteilung für Obst und Frischgemüse war doppelt so
groß wie jede andere, die sie bis dahin gesehen hatte, und sie
mußte zugeben, daß die Auswahl größer und die Qualität
besser als alles war, was sie in Kalifornien gekannt hatte.
Gleiches galt für die Fleischabteilung.
Aber in der Abteilung für Tiefkühlkost war das Angebot
begrenzt auf ein paar Gemüsesorten und etwas Speiseeis – die
Sorte ohne künstliche Farbstoffe und Konservierungsmittel. Sie
wandte sich aufbegehrend zu Elaine. »Was ist das hier?« fragte
sie. »Ein Supermarkt oder ein Reformhaus?«
»Es ist ein Supermarkt«, antwortete Elaine, »aber sie führen
keine Schundnahrung, das ist alles.«
»Schundnahrung!« protestierte Sharon. »Sie führen kaum
etwas davon, was meine Familie mag! Versteh mich nicht
falsch, ich bin auch für Frischgemüse. Aber Kelly mag
Limonaden, und Mark ist scharf auf gefrorene Brathähnchen.
Und was sollen die Kinder tun, wenn Blake und ich einmal
ausgehen wollen? Wo sind die Fertiggerichte?«
Elaine schüttelte den Kopf. »Es gibt keine. Niemand in
Silverdale kauft solche Sachen, also nimmt der Laden sie aus
dem Sortiment. Außerdem, sieh dir unsere Kinder an. Hast du
je gesündere gesehen? Sie sind groß und kräftig, und sie
werden so gut wie nie krank. Wenn du mich fragst …«
»Und wenn du mich fragst«, unterbrach Sharon sie in einer
Aufwallung von Entrüstung, »dann muß ich dir sagen, daß du
wie all diese Gesundheitsapostel redest, über die wir zu Hause
immer gelacht haben. Und wenn der Laden ins Sortiment
nehmen würde, was du Schundnahrung nennst, würden die
Leute es vielleicht kaufen! Was für einen Geschäftsführer
haben sie hier? Bekommen nicht alle Filialen der Ladenkette
die gleichen Waren?«
»Hör mal, es ist nicht meine Schuld …«
»Das sagte ich auch nicht«, versetzte Sharon. »Ich weiß, daß
Jerry alles unter sich hat, was hier draußen zu Tarrentech
gehört, aber ich wußte nicht, daß er auch den Supermarkt
leitet!«
Ein seltsamer Ausdruck kam in Elaines Augen, und einen
Augenblick hatte Sharon das seltsame Gefühl, daß ihre Worte
irgendwie einen Nerv getroffen hatten. Dann erkannte sie, daß
Elaine gar nicht auf sie achtete, sondern an ihr vorbei eine Frau
anstarrte, die gerade in ihre Einkaufsgasse gebogen war.
»Charlotte!« hörte sie Elaine ausrufen. »Was ist geschehen?
Sie sehen furchtbar aus!« Verspätet hob Elaine eine Hand an
den Mund, als ihr die Taktlosigkeit ihrer Bemerkung bewußt
wurde. »Mein Gott, entschuldigen Sie«, sagte sie schnell. »Ich
wollte nicht …«
Sharon wandte sich um und sah eine zierliche blonde Frau
mit einer blonden Pferdeschwanzfrisur und einem Gesicht, das
hübsch gewesen wäre, wenn es nicht so müde ausgesehen
hätte. Ihre Augen waren rotgerändert und hatten dunkle
Schatten, die nur teilweise von einer dicken Schicht Make-up
verborgen waren, und ihr linker Arm steckte in einer Schlinge.
»Sharon, das ist Charlotte LaConner«, hörte sie Elaine
sagen. »Sharon ist Blake Tanners Frau. Sie wissen, Jerrys neue
Nummer zwei.«
Charlotte brachte ein unbestimmtes Lächeln zustande und
streckte die rechte Hand aus. »Freut mich, Sie kennenzulernnen«, sagte sie mechanisch. Ihr Blick ging zurück zu
Elaine. »Und Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen. Ich
weiß, wie ich aussehe.«
»Aber was ist geschehen?«
Charlotte schüttelte den Kopf. »Ich – ich weiß wirklich nicht
genau.« Sie blickte mit einem Ausdruck von Mißtrauen zu
Elaine auf. »Hat Linda Ihnen nicht gesagt, was gestern abend
geschah?«
Elaine schüttelte erstaunt den Kopf. »Linda? Was hat sie
…«
»Anscheinend hat sie gestern abend nach der Übungsstunde
mit Jeff gebrochen«, sagte Charlotte. »Als er nach
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