Bestien
runzelte die Brauen. »Komm schon, Sharon,
solche Vorfälle ereignen sich immer wieder …«
»Und wenn jemand krankenhausreif geschlagen wird wie
Mark heute abend, wird die Polizei verständigt!« entgegnete
Sharon. »Und wo ist Jeff LaConner? Was hat er gemacht? Ist
er einfach weggegangen?«
»Er ist fort, Schatz«, sagte Blake in besänftigendem Ton.
»Robb und ein paar andere Jungen kamen Mark zu Hilfe, und
Jeff suchte das Weite.«
»Aber wir werden ihn finden«, ergänzte Jerry. »Wahrscheinlich ist er inzwischen zu Hause und versucht seinen
Eltern zu erklären, was geschehen ist.«
Sharons Ausdruck verhärtete sich weiter. »Er wird sehr viel
mehr tun müssen, als es seinen Eltern zu erklären«, sagte sie.
»Er wird es auch der Polizei erklären müssen. Sobald ich im
Krankenhaus bin, werde ich sie verständigen. Und dann
werden wir genau in Erfahrung bringen, was heute abend hier
geschehen ist.«
»Wir wissen, was geschehen ist«, fing Jerry an, aber wieder
schnitt sie ihm das Wort ab.
»Wir wissen, daß Jeff LaConner einen Jungen zusammenschlug, der nur halb so groß ist wie er«, sagte sie. »Und es ist
mir ganz gleich, wodurch Jeff sich provoziert gefühlt haben
mag. Er soll nicht ungeschoren davonkommen.«
»Niemand hat das gesagt, Schatz«, erwiderte Blake. »Aber
laß uns jeden Schritt zur rechten Zeit tun, ja? Fahr du mit Mark
ins Krankenhaus, und ich lasse mich von Jerry mitnehmen.
Wenn wir genau wissen, was geschehen ist, werden wir die
Sache anpacken.«
Sharon schien im Begriff, noch etwas zu sagen, besann sich
aber eines anderen. Einer der Wärter öffnete wieder die
Hecktür des Krankenwagens, und sie stieg hinein und setzte
sich zu ihrem Jungen. Gleich darauf fuhr der Krankenwagen
mit ausgeschaltetem Blinklicht an und bog in die Hauptstraße
ein.
11
ES
SCHIEN SERGEANT DICK KENNALLY , als habe sich halb
Silverdale im kleinen Warteraum des Bezirkskrankenhauses
eingefunden. Als er vor etwas mehr als einer Stunde das
Sirenengeheul des Krankenwagens gehört hatte, war er auf
einen Anruf gefaßt gewesen, der ihn zum Schauplatz eines
Autounfalls rufen würde; doch als der Anruf ausgeblieben war,
hatte er gefolgert, daß es sich nicht um eine Polizeiangelegenheit handle, und sich wieder über das Kreuzworträtsel
hergemacht, an dem er gearbeitet hatte, seit er um vier Uhr
nachmittags seinen Dienst angetreten hatte. Und er hatte die
Sirene beinahe vergessen, als kurz nach elf der Anruf
gekommen war.
Warum mußten Situationen wie diese immer kurz vor
Dienstschluß auftreten? fragte er sich, als er zum Krankenhaus
fuhr. Warum konnten die Leute nicht bis nach Mitternacht
warten, wenn sie die Polizei rufen wollten? Wes Jenkins, der
meistens den Nachtdienst versah, beklagte sich immer, daß er
nichts zu tun hatte. Aber nach zehn Dienstjahren in Silverdale
wußte Kennally natürlich die Antwort: Um Mitternacht waren
fast alle Bewohner der Stadt längst im Bett, und diejenigen, die
noch auf und unterwegs waren, gehörten nicht zu denen, die
die Polizei rufen würden. Vielmehr waren sie die Leute,
derentwegen andere Leute die Polizei anriefen.
Er war einigermaßen überrascht gewesen, Jerry Harris mit
Frau und Kindern mit den Tanners anzutreffen, als er
gekommen war. Harris versuchte zu erklären, was geschehen
war, doch während er zuhörte, beobachtete Kennally immer
wieder Sharon Tanner, in deren Augen mühsam unterdrückter
Zorn funkelte. Mehrmals schien sie im Begriff, Harris zu
unterbrechen, und jedesmal hinderte ihr Mann sie daran.
Schließlich, nachdem Harris die Situation skizziert hatte, nahm
Kennally sich Linda Harris vor.
»Kannst du mir genau berichten, was geschehen ist?« fragte
er mit freundlicher Stimme.
Linda machte eine hilflose Gebärde. Sie war blaß, und auf
ihren Wangen glänzten Tränen. »Ich weiß nicht genau, was
geschah«, sagte sie unglücklich. »Wir gingen auf dem
Heimweg die Straße entlang, als Jeff hinter einem Busch
herauskam. Es sah so aus, als habe er dort auf uns gewartet.
Zuerst dachten wir uns nichts dabei, aber dann sahen wir sein
Gesicht …« Sie ließ den Rest ungesagt, und ein Schauer
überlief ihren Körper.
»Was war mit seinem Gesicht?«
Linda suchte nach Worten. »Er – ich weiß nicht, aber er sah
einfach verrückt aus. Seine Augen waren ganz glasig, als
wüßte er nicht wirklich, wer wir waren. Mark hatte gleich das
Gefühl, daß er es auf uns abgesehen habe. Wir bekamen es mit
der Angst und liefen fort, aber Jeff hatte uns schnell
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