Bestien
wieder, und diesmal prallte Marks Rücken
gegen das Garagentor. »Was fällt dir ein?« sagte er. »Was
willst du?«
»Schiß, was?« erwiderte Robb. »Ist der kleine Junge böse,
weil er einen Punkt verloren hat?«
Mark preßte die Lippen zusammen, und bevor ihm wirklich
klar wurde, was er tat, flog seine Faust heraus und traf Robb
am Kinn. Robb machte erschrockene Augen und nahm den
Kopf zurück, dann verzog er den Mund in einem boshaften
Lächeln.
»So, willst Putz haben, hm?« spottete er. »Wird der kleine
Junge endlich erwachsen?«
Er nahm Boxerhaltung ein und teilte aus, aber er wollte den
kleineren Jungen nur reizen und schlug vorerst mit halber
Kraft. Schließlich ging er näher heran, und Mark nutzte seine
Gelegenheit: Er warf sich Robb entgegen und schlug ihm die
rechte Faust mit aller Kraft in den Magen. Ein Luftschwall
entfuhr Robbs Lungen, und er wankte zurück, hielt sich den
Magen und bemühte sich, wieder zu Atem zu kommen. Gerade
als er wieder Boxerhaltung einnahm und Mark ans Garagentor
nageln wollte, ging die Hintertür des Hauses auf, und Elaine
Harris stürmte heraus.
»Aufhören!« rief sie. »Hört augenblicklich auf!« Beide
Jungen wandten sich zu ihr, erschrocken von der Schärfe in
ihrer Stimme. Sie fixierte Robb mit zornigem Blick. »Ich will
überhaupt keine Entschuldigung hören«, erklärte sie. »Du bist
eineinhalb Köpfe größer als Mark und wiegst fünfzig Pfund
mehr als er. Du gehst jetzt ins Haus, und wenn dein Vater
heimkommt, kannst du ihm dies erklären!« Sie wartete, die
Hände in die Hüften gestemmt, und schließlich eilte Robb mit
gesenktem Kopf an ihr vorbei und verschwand im Haus. Als
Elaine wieder sprach, war ihre Stimme freundlich und
bedauernd. »Es tut mir leid«, sagte sie. »Was auch geschehen
ist, er hätte dich nicht schlagen sollen.«
Marks Gesicht brannte vor Scham. Für wen hielt sie ihn, ein
kleines Kind, das sich nicht verteidigen konnte? Als er sich
wortlos umwandte und die Zufahrt hinauslief, erinnerte er sich,
was an dem Abend geschehen war, als er nicht in der Lage
gewesen war, sich zu verteidigen.
Heute war es jedoch anders gewesen. Selbst nachdem Robb
ernstlich auf ihn losgegangen war, hatte er nicht versucht
wegzulaufen.
Diesmal hatte er seinen Mann gestanden und sich gewehrt.
Und einen Augenblick lang, nachdem er den Haken in
Robbs Magen gelandet hatte, wäre er beinahe der Gewinner
gewesen. Natürlich hatte Robb sich bereits von dem Schlag
erholt, als Mrs. Harris herausgekommen war, und er hätte trotz
allem Prügel beziehen können.
Aber wenigstens hatte er es diesmal versucht.
Als er nach Haus trottete, wurde ihm klar, daß der Kampf
ihm sogar irgendwie Spaß gemacht hatte.
Die Empfindung von Vergnügen an einem körperlichen
Zweikampf war etwas, das er noch nie erlebt hatte.
Jedenfalls wäre ihm früher nie in den Sinn gekommen, daß
es ihm gefallen könnte.
17
Es WAR EIN RUHIGER MORGEN im Bezirkskrankenhaus, und als
Susan Aldrich zu der Wanduhr über ihrem Schreibtisch am
Aufnahmeschalter blickte, war sie erstaunt, daß es erst halb
zehn war. Das war das Problem mit den ruhigen Tagen dachte
sie: Die Zeit schien zu kriechen. Sie blickte hinaus in den
Warteraum und lächelte beinahe kläglich, als sie sah, daß er
bereits aufgeräumt war. Auch mit Kaffeekochen konnte sie
sich die Zeit nicht vertreiben, denn erst vor wenigen Minuten
war Maria Ramirez in die Küche gegangen.
Maria war zu einer festen Einrichtung im
Krankenhaus
geworden, und als die endlosen Tage neben dem Bett ihres
Sohnes zu Wochen geworden waren, hatte die Frau allmählich
angefangen, sich nützlich zu machen. Angefangen hatte es mit
der Pflege und Sauberhaltung ihres Sohnes und dem
Aufräumen seines Zimmers, aber nach und nach hatte sie ihre
Domäne erweitert, niemals gefragt, ob etwas zu tun sei,
sondern einfach den Schwestern und Pflegern bei der Arbeit
zugesehen und ihnen dann ohne Aufhebens einige ihrer
Arbeiten abgenommen. Zuerst hatte Susan sich bemüht, der
Frau klarzumachen, daß sie keine Veranlassung habe,
Krankenhausarbeiten zu verrichten, aber Maria hatte nur
gelächelt.
»Sie tun so viel für meinen Sohn«, hatte sie geantwortet.
»Und wenn ich ihm nicht helfen kann, so kann ich wenigstens
den Leuten helfen, die sich um ihn bemühen.« Darauf waren
Susan, Karen Akers und das übrige Personal übereingekommen, Maria Ramirez in Ruhe zu lassen. Inzwischen
verrichtete die schmale und zierliche Frau, deren dunklen
Augen nichts zu entgehen schien, einen großen
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