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Bestien

Bestien

Titel: Bestien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Saul
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Sprache völlig unfähig war, wollte niemand Maria den
einzigen Trost nehmen. Einen Augenblick später öffneten sich
Ricardo Ramirez’ Augen noch einmal. Was nur ein krampfhaftes Zucken gewesen sein mochte
– aber wahrscheinlich
auch die Spur eines Lächelns gewesen sein konnte –, zog an
seinen Mundwinkeln.
Dann schlossen seine Augen sich wieder. Die Linie des
Elektrokardiogramms glättete sich zu einem Strich. Und ein
gleichmäßiger Ton – beinahe wie ein Klagelied – setzte ein.
Ricardo Ramirez war tot.
Eine halbe Stunde später saß Dr. MacCallum in seinem
Büro und starrte auf die ausgefüllte Sterbeurkunde. Der
plötzliche Tod des Jungen hatte ihn genauso überrascht wie
den Rest des Krankenhauspersonals. Wie die anderen, hatte
auch er die Gewohnheit angenommen, mehrmals am Tag in
Ricks Zimmer zu schauen, nicht weil irgend etwas für den
Jungen getan werden mußte, sondern einfach weil trotz seines
Komas etwas an dem Jungen war, was ihn tiefer anrührte. So
war Rick auch für ihn mehr als ein Patient geworden. Obwohl
er und Rick niemals auch nur ein einziges Wort gewechselt
hatten, war MacCallum dazu gekommen, ihn als einen Freund
zu betrachten.
Nun war sein Freund tot, und Maria Ramirez, die
MacCallum auch als eine Freundin anzusehen gelernt hatte, saß
im Warteraum, äußerlich ruhig, aber mit dem Ausdruck tiefsten
Kummers in den Augen, und versuchte sich mit dem Verlust
ihres einzigen Lebensinhalts abzufinden. Schließlich verhärteten sich MacCallums Züge, und er griff zum Telefon und rief
Phil Collins in der Oberschule von Silverdale an, dann wartete
er mit ungeduldig auf die Tischplatte trommelnden Fingern,
während der Trainer vom Spielfeld gerufen wurde.
»Hier Dr. MacCallum«, sagte Mac, als Collins an den
Apparat kam, »Ich weiß, daß es Ihnen im Grunde gleich ist,
aber Ricardo Ramirez ist vor einer halben Stunde gestorben.«
»Herrgott«, fluchte Collins, aber MacCallum war sicher, daß
die einzige Gefühlsregung in der Stimme des Trainers Sorge
war, nicht Bedauern. »Was wird jetzt geschehen?«
»Ich weiß es nicht«, erwiderte MacCallum. »Aber ich kann
Ihnen sagen, daß mir bekannt ist, was Sie und Ames und
Tarrentech für Maria vorgesehen haben, und ich glaube, es ist
nicht genug.« Sein Ton wurde schärfer. »Ich habe genug von
Ihnen und Ihrer Footballmannschaft, Collins. Letztes Wochenende hatten wir hier ein gebrochenes Bein, und vorgestern
einen Milzriß.« Er zögerte, überlegte kurz, ob er imstande sein
würde, seine nächsten Worte auch in die Tat umzusetzen, dann
fuhr er fort: »Ich werde Maria Ramirez vorschlagen, daß sie
Anklage wegen fahrlässiger Tötung gegen Sie, die Schule, Jeff
LaConner, seine Eltern, Marty Ames und Rocky Mountain
High erhebt. Ich weiß nicht, was Sie alle da machen, aber es
muß jetzt ein Ende haben.«
»Augenblick mal«, fing Collins an, aber MacCallum schnitt
ihm das Wort ab.
»Nein, Collins«, sagte der Arzt leise und legte den Hörer
auf. Er wußte nicht, was, wenn überhaupt, er bewirkt hatte,
glaubte nicht einmal wirklich, daß ein Verfahren wegen
fahrlässiger Tötung Erfolg haben würde. Aber wenigstens
fühlte er sich besser.
    Phil Collins starrte einen Moment den Hörer in seiner Hand an,
dann drückte er die Taste, bis das Freizeichen ertönte. Er
wählte Marty Ames’ Privatnummer und wartete, in unbewußter
Nachahmung MacCallums ungeduldig mit den Fingern auf die
Tischplatte trommelnd. Als Ames sich meldete, wiederholte
Collins beinahe wörtlich, was MacCallum gesagt hatte.
    Zwei Minuten später gab Ames sie an Jerry Harris weiter.
»In Ordnung«, erwiderte Harris müde. Er dachte einen
Augenblick nach. »Wir werden die LaConner-Situation jetzt
gleich bereinigen müssen. Können Sie die nötigen Vorbereitungen treffen?«
»Selbstverständlich«, erwiderte Ames.
Bevor er Chuck LaConner in sein Büro rief, veranlaßte Jerry
Harris, daß einer der Firmenhubschrauber für einen Flug nach
Grand Junction bereitgestellt wurde, wo ein Learjet warten
würde.
    Charlotte LaConner hatte auf einmal Magendrücken. Sie
konnte Chuck nicht richtig verstanden haben – es mußte ein
Irrtum sein. Vielleicht fing sie wirklich an, sich Dinge
einzubilden, wie er seit jenem schrecklichen Augenblick bei
den Tanners behauptete – sie konnte sich nicht mehr genau
erinnern, an welchem Tag es gewesen war –, als Chuck den
beiden Tanners gegenüber deutlich gemacht hatte, daß sie den
Verstand verliere. Vielleicht bildete sie sich sogar ein, daß er
heute am

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