Bettler 01 - Bettler in Spanien
Alice diese Hoffnung. Alice und Susan und jeden anderem Schläfer, der nicht Haß als Ausweg betrachtet. Sie haben nicht den Hassern etwas geraubt, sondern den anderen, den Menschen, die sich bemühen, zu anständig zu sein für Haß. Das ist es, was Sie gestohlen haben und wem Sie es gestohlen haben!«
Hawkes Lächeln wirkte eingefroren. Es folgte ein langes Schweigen, und dann sagte er schließlich spöttisch: »Sehr hübsch ausgedrückt, Miss Camden. Sie könnten Glückwunschkarten mit herzergreifenden Texten entwerfen und viel Geld damit verdienen!«
Leishas Gesichtsausdruck blieb unverändert. Sie wandte sich zum Gehen, und aus dieser einen, verächtlichen Bewegung erkannte Jordan plötzlich, wie wenig sie sich von diesem Zusammentreffen erwartet hatte. Sie war nicht vor Hawke hingetreten, um ihn zu ändern oder um etwas von ihm zu erfahren oder auch nur, um ihren Zorn loszuwerden. Nichts davon war Zweck dieses Kommens oder der Grund, weshalb sie Jordan zu ihrer Begleitung gebraucht hatte.
Niemand hinderte sie, das Fabriksgelände zu verlassen. Niemand sprach, bis das Flugzeug über die dunklen Felder dahinglitt, die von dem schwarzen Fluß durchschnitten wurden. Jordan sah seine Tante an; sie wußte noch nichts von Joey, wußte nicht, daß Jordan Hawke bereits verlassen hatte. »Wir sind meinetwegen hierhergekommen. Damit ich sehen sollte, wie Hawke wirklich ist.«
Leisha griff nach seiner Hand. Ihre Finger waren kalt. »Ja, ich wollte deinetwegen herkommen. Es gibt nur dich, Jordan. Dich. Und dich und dich und dich und dich und dich. Ich dachte, es gäbe noch mehr, irgend etwas Monumentaleres, aber ich habe mich getäuscht. Einer und vielleicht noch einer und noch einer. Das ist alles, was es gibt.«
»Die Gemeinschaft«, sagte Jennifer Sharifi ruhig und leise zu Najla und Ricky, »muß stets Vorrang haben. Deshalb wird Papa nicht mehr nach Hause kommen. Papa hat seine Solidarität mit der Gemeinschaft gebrochen.«
Die Kinder sahen ihre Schuhspitzen an. Jennifer erkannte, daß sie vor ihr Angst hatten. Daran fand sie nichts Negatives; Angst war nur das alte Wort für Respekt.
Schließlich sagte Najla mit dünner Stimme: »Warum müssen wir aus Sanctuary weggehen?«
»Wir gehen nicht weg aus Sanctuary, Najla. Sanctuary geht mit uns. Wo immer sich die Gemeinschaft aufhält, ist Sanctuary. Der neue Ort, an den wir Sanctuary bringen, wird euch gefallen. Er ist sicherer für uns alle.«
Ricky sah zu seiner Mutter auf – mit Richards Augen aus Richards Gesicht. »Wann wird denn die Orbitalstation fertig sein?«
»In fünf Jahren. Wir müssen sie planen, bauen und bezahlen.« Fünf Jahre; in so kurzer Zeit war noch nie eine Orbitalstation errichtet worden, auch wenn man in Betracht zog, daß Sanctuary eine bereits existierende Basiskonstruktion von einer fernöstlichen Regierung angekauft hatte, wo man nun darangehen würde, für den eigenen Bedarf eine neue zu bauen.
»Und wir werden nie wieder auf die Erde zurückkommen?« erkundigte sich Ricky.
»Gewiß werdet ihr zur Erde zurückkommen«, sagte Jennifer. »Zu Geschäftsreisen, wenn ihr erwachsen seid. Wir werden einen Großteil unserer Geschäfte weiterhin mit jenen wenigen Schläfern abwickeln, die weder Bettler noch Parasiten sind. Aber die Leitung dieser Geschäfte wird von der Raumstation aus stattfinden, und mit Hilfe von Genmodifizierungen wird es uns gelingen, die stärkste Gemeinschaft zu errichten, die je existiert hat.«
»Ist das legal?« fragte Najla zweifelnd.
Jennifer erhob sich, und die Falten ihrer Abajeh legten sich um ihre Sandalen. Auch die Kinder erhoben sich; Najla sah immer noch zweifelnd drein, Ricky unglücklich. »Es wird legal sein«, sagte Jennifer. »Für euch und für alle künftigen Kinder werden wir es legal machen. Legal und stabil und sicher.«
»Mutter…«, sagte Ricky und verstummte.
»Ja, Ricky?«
Er sah sie an, und ein Schatten flog über sein kleines Gesicht. Was er auch sagen wollte, er behielt es für sich. Jennifer beugte sich hinab und küßte ihn, küßte auch Najla und machte kehrt, um zum Haus zu gehen. Sie würde später noch mit den Kindern sprechen, ihnen in kleinen Portionen, die sie leichter aufnehmen konnten, alles erklären, alles klarmachen. Später. Im Augenblick war so viel anderes zu tun. Zu planen. Zu beaufsichtigen. Zu leiten.
16
Susan Melling und Leisha Camden saßen in Liegestühlen auf dem Dach von Susans Haus in der Wüste von New Mexico und sahen Jordan und Stella
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