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Bettler 01 - Bettler in Spanien

Titel: Bettler 01 - Bettler in Spanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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nach, die zu der riesigen Pappel am Ufer des Wasserlaufes schlenderten. Oben am Himmel war das Sommerdreieck Wega, Altair und Deneb neben dem strahlenden Vollmond, der sich im Osten erhoben hatte, nur schwach zu sehen. Über dem westlichen Horizont sickerte das letzte Rot aus den niedrigen Wolken. Lange schwarze Schatten glitten über die Wüste auf die Berge zu, auf deren Gipfeln immer noch die Strahlen einer unsichtbaren Sonne zu glühen schienen. Susan fröstelte.
    »Ich hole dir einen Pullover«, bot sich Leisha an.
    »Laß nur, es geht schon«, sagte Susan.
    »Ach, hör auf.«
    Leisha kletterte die Leiter hinab, entdeckte den Pullover in Susans vollgeräumtem Arbeitszimmer und blieb einen Augenblick im Wohnzimmer stehen. Sämtliche blankpolierten Tierschädel waren verschwunden. Sie kletterte wieder nach oben und hängte Susan den Pullover über die Schultern.
    »Schau die zwei dort an«, sagte Susan vergnügt.
    Noch ehe sie in der tieferen Dunkelheit unter der Pappel angekommen waren, verschmolz die Silhouette, die Jordan war, mit dem Schatten, der Stella war. Leisha lächelte; Susans Augen zumindest waren noch so scharf wie früher.
    Die beiden saßen eine Weile schweigend da, als Susan plötzlich sagte: »Kevin hat wieder angerufen.«
    »Nein«, sagte Leisha nur.
    Susan rückte ihren alten, mageren, schmerzenden Körper in dem Liegestuhl zurecht. »Hältst du denn gar nichts von Vergebung, Leisha?«
    »O doch. Aber Kevin weiß nicht, daß er etwas getan hat, das vergeben werden müßte.«
    »Ich nehme an, er weiß auch nicht, daß Richard mit dir zusammen hier ist.«
    »Ich weiß nicht, was er weiß«, entgegnete Leisha gleichgültig. »Wer kann das noch feststellen?«
    »Wie du, zum Beispiel, auch nicht feststellen konntest, daß Jennifer Sharifi unschuldig war. Und du vergibst dir selbst ebensowenig wie Kevin.«
    Leisha wandte das Gesicht ab. Wie ein Skalpell zog ein Mondstrahl über ihre Wange. Von der Pappel drang leises Gelächter herüber. Plötzlich sagte Leisha: »Ich wünschte, Alice wäre hier.«
    Susan lächelte. Es war ein mühsam zustandegebrachtes Lächeln; sie würde die Anzahl der Schmerztabletten erneut erhöhen müssen. »Vielleicht taucht sie wieder auf, wenn du sie nur dringend genug brauchst.«
    »Das ist nicht komisch.«
    »Du glaubst nicht, daß das passiert ist, Leisha, nicht wahr? Du glaubst nicht, daß Alice eine paranormale Wahrnehmung über dich hatte.«
    »Ich glaube, daß sie das glaubt«, sagte Leisha vorsichtig. Zwischen ihr und Alice war jetzt alles anders, und der Unterschied zu früher war zu kostbar, als daß sie ihn aufs Spiel gesetzt hätte. Alice war das einzige, was sie aus diesem einen Jahr katastrophaler Verluste zurückbekommen hatte. Alice und Susan. Und Susan war dem Tod nahe.
    Dennoch, mit Susan hatte sie immer ehrlich sein können. »Du weißt, daß ich nicht ans Paranormale glaube. Das Normale ist schon schwer genug zu begreifen.«
    »Und das Paranormale würde dein Weltbild gehörig durcheinanderbringen, nicht wahr?« Nach einer Minute fügte Susan mit weicherer Stimme hinzu: »Fürchtest du nicht, daß Alice die Sache mit Jordan und Stella mißbilligen wird? Ein Schläfer und eine Schlaflose?«
    »Meine Güte, nein! Ich weiß, daß ihr das Ganze sogar gefallen würde!« Sie lachte hart und kurz auf. »Alice könnte einer der zwölf Menschen auf der ganzen Welt sein, die nichts dagegen hätten.«
    Susan sagte, als wäre es von Bedeutung: »Außerdem kamen Anrufe von Stewart Sutter, Kate Addams, Miyuki Yagai und deinem Sekretär, wie heißt er bloß? Ich sagte ihnen allen, du würdest zurückrufen.«
    »Werde ich nicht«, erklärte Leisha.
    »Es gibt mehr als zwölf«, bemerkte Susan. Leisha antwortete nicht.
    Unter ihnen kam Richard aus der Eingangstür und ging vom Haus weg auf die Mesa in der Ferne zu. Er bewegte sich langsam, schlaff, als wäre ihm die Richtung, die er einschlug, völlig gleichgültig. Leisha dachte, daß das vermutlich auch zutraf, denn es gab nur sehr wenig, was ihm nicht gleichgültig war. Daß er sich überhaupt hier befand, dafür zeichnete Jordan verantwortlich, der ihn ohne zu zögern einfach in den Wagen gepackt und mitgebracht hatte. Jordan zögerte nur noch selten. Er handelte.
    Eine Minute später polterte unten Joeys grobschlächtige Gestalt aus dem Haus und watschelte glücklich hinter Richard her. Er ging immer gern irgendwohin.
    Susan sagte: »Du meinst also, daß durch den Sharifi-Prozeß jede Chance auf echte Integration –

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