Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Bettler 01 - Bettler in Spanien

Titel: Bettler 01 - Bettler in Spanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
Vom Netzwerk:
ihm, ich komme gleich«, trug Leisha ihr auf. »Aber ich muß erst nach Alice sehen. Gib ihm Kaffee oder sonstwas. Die Kinder sollen ihm ihr Flötensolo vorspielen; das sollte ihn fürs erste beschäftigen.« Seth und Eric hatten gerade eben gelernt, aus Tierknochen, die sie in der Wüste sammelten, Flöten zu schnitzen. Stella schniefte wieder und ging hinaus.
    Alice war gerade aufgewacht. Sie saß auf dem Bettrand, während ihr die Krankenpflegerin das Nachthemd über den Kopf zog. Leisha zuckte sofort zurück auf den Flur; Alice haßte es, wenn Leisha sie nackt sah. Erst als sie hörte, wie die Pflegerin sagte: »So, das hätten wir, Mrs. Watrous…!« trat Leisha ins Zimmer.
    Alice trug lose Leinenhosen und eine weiße Bluse, die weit genug geschnitten war, daß sie sie allein und nur unter Benutzung des rechten Armes anziehen konnte; der linke war seit dem Schlaganfall nicht mehr zu gebrauchen. Ihre weißen Löckchen waren gekämmt. Die Pflegerin kniete auf dem Boden und schob Alices Füße in weiche Pantoffel.
    »Leisha!« sagte Alice erfreut. »Alles Gute zum Geburtstag!«
    »Das wollte ich zuerst sagen!«
    »Dein Pech«, sagte Alice. »Siebenundsechzig Jahre!«
    »Ja«, nickte Leisha, und dann sahen die beiden Frauen einander an – Leisha mit geradem Rücken in weißen Shorts und knappem Oberteil, Alice mit einer mühsam stützenden, blaugeäderten Hand auf dem Fußende des Bettes.
    »Alles Gute, Alice.«
    »Leisha!« Wiederum Stella, im dringlichsten Managertonfall. »Du hast eine ComLinkkonferenz um neun, wenn du also diesen Reporter…«
    Aus dem rechten Mundwinkel und so leise, daß Stella es nicht hören konnte, murmelte Alice: »Mein armer Jordan…«
    »Du weißt, er liebt das!« murmelte Leisha zurück und eilte zum Sitzungszimmer, wo der Reporter wartete.
    Er überraschte sie, indem er aussah wie sechzehn – ein schlaksiger Junge mit allzu spitzen Ellbogen und schlechter Haut, gekleidet in die neueste Teenagermode: in ballonförmige Shorts und ein Kunststoffhemd, an dem winzige rote, weiße und blaue Motorroller aus Plastik baumelten. Er hockte nervös auf der Stuhlkante, während Eric und Seth um ihn herumtanzten und Flöte spielten. Miserabel. Leisha schickte ihre Großneffen aus dem Raum. Seth ging mit fröhlicher Miene; Eric machte ein finsteres Gesicht und knallte die Tür hinter sich zu. In der plötzlichen Stille ließ Leisha sich dem Jungen gegenüber auf einen Stuhl fallen.
    »Welches Nachrichtennetz, sagten Sie, repräsentieren Sie, Mister… Cavanaugh?«
    »Mein Highschool-Netz«, platzte der Junge heraus. »Bloß habe ich das der Dame nicht gesagt, als ich wegen eines Termins anfragte.«
    »Natürlich nicht.« Vergiß die Füße, dachte Leisha; das war lustig! Das erste Interview, das sie seit zehn Jahren gab, und dann stellte sich heraus, daß es für ein Schulnetz war! Susan hätte sich königlich amüsiert.
    »Also gut, dann wollen wir beginnen«, sagte sie. Auf den ersten Blick war ihr klar gewesen, daß der Junge noch nie zuvor mit einem Schlaflosen gesprochen hatte. Es stand ihm ins Gesicht geschrieben: die Neugier, die Nervosität, der verstohlene Versuch, sie einzuschätzen. Aber kein Neid in seiner virulentesten Form. Das war das Bemerkenswerteste an diesem so gar nicht bemerkenswerten Jungen: das Nichtvorhandensein von Neid.
    Er ging systematischer an die Sache heran, als man seinem Äußeren nach erwartet hätte. »Meine Mama sagt, es war früher anders als jetzt. Sie sagt, früher wurden die Schlaflosen von den Machern und sogar von den Nutzern gehaßt. Wie kommt das?«
    »Wie kommt es, daß Sie es nicht tun?«
    Die Frage schien ihn ehrlich zu überraschen. Er runzelte die Stirn und sah sie dann von der Seite mit einem verlegenen Ausdruck an, der Leisha deutlicher als jedes Wort verriet, daß er ein anständiger junger Mann war. »Na ja, ich will Sie ja wirklich nicht beleidigen, aber… warum sollte ich Sie denn hassen? Ich meine, die Macher sind doch diejenigen – und Schlaflose sind doch bloß so ‘ne Art Supermacher, oder? –, also die Macher sind diejenigen, die die ganze Arbeit am Hals haben. Und wir Nutzer können die Früchte der Arbeit genießen. Nutzen. Also ehrlich«, sagte er in einer plötzlichen Anwandlung treuherziger Vertraulichkeit, »ich werde nie begreifen, warum die Macher das nicht endlich merken und uns hassen!«
    »Plus ca change, plus c’est la même chose.«
    »Was heißt das?«
    »Ach, nichts, Mister Cavanaugh. Haben Sie an Ihrer Schule auch

Weitere Kostenlose Bücher