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Bettler 01 - Bettler in Spanien

Titel: Bettler 01 - Bettler in Spanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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tat er nicht. Er stand nur da und sah sie beide an.
    Leisha legte die Arme um Alice. »Sei nicht traurig, Alice. Sei nicht traurig. Wir machen alles wieder gut. Immer, wenn wir nicht in der Schule sind, werde ich mit dir spielen, damit dir Mami nicht so fehlt.«
    Alice klammerte sich an Leisha, und Leisha drehte den Kopf so, daß sie Papas Gesicht nicht sehen mußte.

 
    3
     
    Kenzo Yagai kam zu einer Vortragsreise in die Vereinigten Staaten. Das Thema seines Vortrags, den er in New York, Los Angeles und Chicago halten würde – mit einem speziellen Auftritt vor dem Kongreß in Washington – lautete: »Aspekte der künftigen politischen Bedeutung billiger Energie.« Leisha Camden, elf Jahre alt, sollte nach dem Vortrag in Chicago von Kenzo Yagai privat empfangen und ihm vorgestellt werden; das verdankte sie ihrem Vater, der den Auftritt in Chicago arrangiert hatte.
    Die Theorie der kalten Kernfusion war Leisha bereits aus der Schule bekannt, und ihr Soziologielehrer hatte die weltweiten Veränderungen aufgezählt, die sich aus der praktischen Anwendung von Yagais patentierter Erfindung ergeben hatten (eine Erfindung, die vor ihm nur graue Theorie gewesen war): den steigenden Wohlstand der Dritten Welt; das Zugrundegehen des kommunistischen Systems; den Niedergang der Ölstaaten; die wiedererstandene Wirtschaftsmacht der Vereinigten Staaten. Leishas Arbeitsgruppe hatte ein Drehbuch für einen Film im Stil einer aktuellen Nachrichtensendung verfaßt, der dann unter Verwendung der erstklassigen schuleigenen Ausrüstung gedreht worden war. Der Film stellte einen Vergleich an zwischen einer amerikanischen Familie aus dem Jahr 1985, die mit hohen Energiekosten und einem Credo an staatliche Unterstützung aus dem Steuertopf lebte, und einer Familie des Jahres 2019, die über billige Energie verfügte und die den Vertrag mit gewissen Pflichten und Rechten als Basis jeder Zivilisation betrachtete. Manche Ergebnisse ihrer eigenen Untersuchungen fand Leisha verwirrend.
    »In Japan hält man Kenzo Yagai für einen Verräter an seinem Vaterland«, sagte sie beim Abendessen zu Papa.
    »Nein«, entgegnete Camden. »Einige Japaner halten ihn dafür. Hüte dich vor Verallgemeinerungen, Leisha. Yagai hat die Y-Energie deshalb in den Vereinigten Staaten patentieren lassen und hier die Lizenzen dafür vergeben, weil bei uns zumindest noch die letzten Glutreste selbständigen Unternehmertums vorhanden waren. Und dank seiner Erfindung hat unser ganzes Land langsam wieder zu einer Gesellschaftsform zurückgefunden, in der die Leistung des einzelnen zählt. Nach und nach hat Japan sich unserem Beispiel gezwungenermaßen angeschlossen.«
    »Diesen Standpunkt hat dein Vater immer schon vertreten«, sagte Susan. »Iß deine Erbsen, Leisha.« Susan und Papa waren erst kaum ein Jahr verheiratet, und es war immer noch ein wenig sonderbar, sie dauernd dabei zu haben. Sonderbar, aber schön. Papa fand, daß Susan eine wertvolle Bereicherung für den Camden-Haushalt darstellte: intelligent, interessiert und dazu ein sonniges Gemüt. So wie Leisha.
    »Denk daran, Leisha«, sagte Camden. »der Wert eines Menschen für die Gesellschaft und für sich selbst hängt nicht von den Erwartungen ab, die er in die Taten oder Gefühle anderer setzt, sondern von seiner eigenen Person und dem, was er persönlich kann – und zwar gut kann. Die Menschen treiben Handel mit dem, was sie gut können, und alle haben ihren Nutzen davon. Das grundlegende Werkzeug der zivilisierten Menschen ist der Vertrag. Verträge werden freiwillig abgeschlossen und sind für beide Seiten von Nutzen. Im Gegensatz zur Nötigung; Nötigung ist Unrecht.«
    »Der Starke hat nicht das Recht, dem Schwachen gewaltsam etwas wegzunehmen«, sagte Susan. »Alice, Liebes, du sollst auch deine Erbsen essen.«
    »Ebensowenig hat der Schwache das Recht, dem Starken gewaltsam etwas wegzunehmen«, fuhr Camden fort. »Das ist die Grundlage für das, womit Kenzo Yagai sich heute abend beschäftigen wird, Leisha.«
    Alice sagte: »Erbsen mag ich nicht.«
    »Aber dein Körper mag sie«, erklärte Camden. »Sie sind gesund.«
    Alice lächelte, und Leisha bemerkte es glücklich; Alice lächelte nicht mehr oft beim gemeinsamen Abendessen. »Mein Körper hat keinen Vertrag mit den Erbsen«, sagte sie.
    »Doch, doch, hat er«, widersprach Camden ein wenig ungeduldig. »Sie nützen deinem Körper. Und jetzt iß.«
    Alices Lächeln erlosch. Leisha sah auf ihren Teller. Plötzlich sah sie eine Lösung.

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