Bettler 01 - Bettler in Spanien
übereinstimmte.
»Alles bereit«, sagte Doktor Toliveri. »Sechs, fünf, vier, drei, zwei eins, los!«
Die GenMod-Viren wurden entlassen. Ein Luftzug, der einer Windströmung von acht Stundenkilometern aus Südwesten entsprach, strich durch den klimatisierten Ballon. Jennifer wandte ihre Aufmerksamkeit den Biometerwerten auf dem Bildschirm an der gegenüberliegenden Wand zu. Innerhalb von drei Minuten zeigte er keinerlei Aktivität mehr an.
»Ja«, sagte Will. Er lächelte nicht, aber er griff nach ihrer Hand. »Ja.«
Jennifer nickte. Zu Toliveri, Blure und den drei Technikern sagte sie: »Hervorragende Arbeit.« Sie drehte sich um zu Will, und ihre schöne, ruhige dunkle Stimme war sehr leise: »Wir sind bereit für die nächste Stufe.«
»Ja«, sagte er wieder.
»Bring die Kaufverhandlungen für die Kagura-Orbitalstation in Gang. Nicht über Kevin Baker. Verdeckt.«
Will Sandaleros sah so aus, als würde es ihm nichts ausmachen, daß man ihm etwas auftrug, das seit Jahren bereits zwischen ihnen beiden abgesprochen war. Er sah so aus, als hätte er Verständnis für den Hang seiner Frau, Befehle auszugeben. Er warf noch einen Blick auf die Biometerwerte, und seine Augen glänzten.
Miri öffnete die Tür zu Tonys Labor. Er hatte seit sechs Monaten seine eigenen Arbeitsräume in der Forschungskuppel zwei, denn der Platz hatte für beide Projekte nicht mehr gereicht. Jedes Mal, wenn Miris Blick auf seine Hälfte des doppelten Arbeitstisches fiel, wurde sie traurig, obwohl sie ahnte, daß ein Teil dieser Traurigkeit auf das mangelnde Vorankommen ihres Projektes zurückzuführen war. In zwei Jahren hatte sie jede nur vorstellbare genetische Modifikation modelliert, ohne auf irgendeine zu stoßen, die das Stottern und die fahrigen, zuckenden Bewegungen, die durch die stets auf Hochtouren laufenden elektrochemischen Prozesse im Gehirn der SuperS zustandekamen, hätte eliminieren können. Die Arbeit ödete sie inzwischen an und erinnerte Miri immerzu an die unbekannte fehlende Komponente der Fäden selbst zu erinnern. Trügerisch, öde und unproduktiv. Und der heutige Tag hatte ihr einen neuen Fehlschlag beschert. Sie war in fürchterlicher Stimmung – in einer fürchterlichen, unbeständigen, öden Stimmung mit chaotischen Fäden. Sie wollte bei Tony Trost und Ermutigung finden. Sie brauchte Tony.
Seine Labortür war versperrt, aber ihr Netzhautbild war in der Liste der befugten Personen gespeichert, und das Schild ACHTUNG! STERILES LABOR leuchtete nicht auf. Also blickte sie mit dem rechten Auge in den Scanner und öffnete die Tür.
Tony lag auf dem Boden, zuckte und bebte, und unter seinem wild auf und ab wogenden Körper lag Christina Demetrios. Miri sah, wie Christys Augen sich weiteten und leicht trübten. »Oh!« sagte sie. Tony sagte nichts. Vermutlich hatte er Miri nicht gehört, vermutlich nicht einmal Christina. Die kräftigen Muskeln seines nackten Hinterns waren sichtbar angespannt, und sein ganzer Körper bebte unter den krampfartigen Schwingungen des Orgasmus. Miri zog sich augenblicklich zurück, schloß die Tür und rannte in ihr eigenes Labor.
Sie saß mit gesenktem Kopf am Tisch und legte die verschränkten, heftig zuckenden Hände auf die Platte. Tony hatte ihr nichts davon erzählt – nun, warum sollte er auch? Es war seine Sache, nicht die ihre; sie war bloß seine Schwester. Nicht seine Geliebte – seine Schwester. Fäden bildeten sich in ihrem Kopf und ordneten sich neu: Zum erstenmal bekamen etliche alte, obskure Geschichten, an die sie sich nur deshalb erinnerte, weil sie sich an alles erinnerte, irgendeinen Sinn. Hera und Io. Othello und Desdemona. Sie kannte selbstverständlich die ganze Physiologie des Geschlechtsaktes – hormongesteuerte Sekretionen, Blutstau in den Gefäßen, Pheromonauslöser. Sie wußte alles. Sie wußte nichts.
Eifersucht. Eine der im Hinblick auf die Gemeinschaft schädlichsten Emotionen, die es gab. Eine Bettler-Emotion.
Miri stand auf und lief aufgewühlt im Raum herum. Nein. Sie würde einem entwürdigenden Gefühl wie Eifersucht nicht nachgeben. Sie stand über solchen Dingen. Und auch Tony verdiente, daß seine Schwester über solchen Dingen stand. Idealismus (Stoizismus, Epikureanismus – »Wir werden geformt und gestaltet von dem, was wir lieben« –, Tony, der seinen Penis selbstvergessen in Christina hineinstieß… ) Sie würde das Problem auf ihre Art lösen (Dunkelheit, Fülle, das pochende Lechzen, der Gravitationsdruck, welcher Gase zu
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