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Bettler 01 - Bettler in Spanien

Titel: Bettler 01 - Bettler in Spanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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Zauberkünstler sitzen haben, auch wenn nirgendwo etwas Offizielles darüber aufscheint. Während des ganzen vergangenen Jahres hat Sanctuary alle Investitionen, die nicht zu Bargeld gemacht wurden, in Beteiligungen außerhalb der Vereinigten Staaten transferiert. Will Sandaleros hat Kagura gekauft, eine sehr alte japanische Orbitalstation, deren Inneres bereits reichlich defekt sein soll; sie wurde in erster Linie für experimentelle Züchtungen von gentechnisch verändertem Fleischvieh für die Raumstationen benutzt. Sandaleros hat die Station im Namen von Sharifi Enterprises und nicht von Sanctuary gekauft. Es ist merkwürdig: Sie haben alle Bewohner zum Verlassen der Station gezwungen, aber es gibt keinen Hinweis darauf, daß man die Tiere weggebracht hätte. Nicht eine einzige krankheitsresistente ZiegRind. Vermutlich haben sie jetzt ihr eigenes Personal auf der Station, das für die Tiere sorgt, aber an diese Informationen komme ich nicht heran. Und nun haben sie begonnen, alle ihre Leute von der Erde nach Sanctuary zurückzuholen. Die Kinder in den höheren Schulen, die Arzte, die ihr Klinikjahr auf der Erde verbringen, die Verbindungsleute zu den Geschäftspartnern, ja sogar den einen oder anderen Exzentriker, der sich hier unten in den Slums herumtreibt. Sie kehren alle nach Sanctuary zurück, allein oder zu zweit, um kein Aufsehen zu erregen. Aber sie kehren zurück.«
    Mit gerunzelter Stirn fragte Leisha: »Und was meinst du, hat das zu bedeuten?«
    »Keine Ahnung.« Kevin legte den vom Wind glattgemeißelten Stein weg. »Ich dachte, du wärst besser geeignet, um darüber Hypothesen anzustellen. Du kennst Jennifer besser als alle anderen, die hier unten geblieben sind.«
    »Kevin, ich glaube, ich kannte in meinem ganzen Leben nie jemanden wirklich.« Es rutschte ihr einfach heraus; sie hatte nicht vorgehabt, etwas so Persönliches preiszugeben. Kevin lächelte dünn.
    Drew tauchte auf; er fuhr seinen Rollstuhl nahe an die beiden heran und sagte: »Leisha, Stella braucht dich.« Seine Augen waren gerötet.
    Sie ging rasch davon, den Kopf voll: mit der rätselhaften Betriebsamkeit Sanctuarys, mit dem Tod ihrer Schwester, mit dem schamlos ausbeuterischen Steuerpaket des Kongresses, mit Drews Kapitalanlage in Sanctuary, mit Kevins Sorge, mit ihrer eigenen irrationalen Angst vor Drews Kunst – sie war irrational, das wußte Leisha. Aber sie hatte offenbar nicht mehr die Kraft, rational zu bleiben, wie damals, als sie noch jünger war. Und es gab keine Möglichkeit, über so viele Dinge gleichzeitig nachzudenken, dazu waren sie zu unterschiedlich. Der menschliche Geist schaffte es nicht, sie alle in sich zu vereinen, dazu wäre eine andere Art zu denken vonnöten gewesen. Papa, es ist dir nicht gelungen; du hättest hei den genetischen Manipulationen auch dafür sorgen sollen. Nicht bloß für bessere Gedanken, sondern für einen besseren Weg des Zusammenwirkens von Gedanken.
    Ein freudloses Lächeln umspielte ihre Lippen. Armer Roger. Sie gab ihm die Schuld für alles, was sie war, was sie nicht war und was Alice nicht war. In gewisser Weise fand sie das komisch. Doch einzig und allein auf jene humorlose Art, auf die sie in letzter Zeit alles komisch fand. In weiteren achtzig Jahren würde sie es vielleicht zum Schießen lustig finden. Alles, was es dazu brauchte, war Zeit, die sich Schicht um Schicht ablagerte wie Staub.
     
    »Asche zu Asche, Staub zu Staub…«
    Jordan hatte die schönen, schmerzlichen, sentimentalen Worte ausgewählt, davon war Drew überzeugt. Er hatte noch nie zuvor einen Trauergottesdienst miterlebt und verstand nicht so recht, was all die altertümlichen Phrasen bedeuten sollten, aber wenn er in die Gesichter blickte, die rund um Alice Camden Watrous’ Grab versammelt waren, wußte er, daß Jordan die Worte ausgewählt hatte, daß Leisha sie nicht mochte und daß Stella ungeduldig auf ihr Ende wartete. Und Alice? Ihr hätten sie gefallen, das wußte Drew, einfach weil ihr Sohn sie ausgewählt hatte. Für Alice hätte das gereicht. Und so reichte es auch für Drew.
    Formen glitten leise in sein Bewußtsein und wieder davon.
     
    »Denn Er erkennet unsre sterbliche Hülle; Er denket daran, daß wir Staub sind. Denn des Menschen Tage sind wie die Halme des Grases; wie die Blume des Feldes erblühet er. Und sie vergehet, wenn der Wind darüber streicht, und nichts weiset hin auf den Platz, an dem sie wuchs.«
     
    Es war Eric, der die Worte las – Alices Enkelsohn, Drews alter Feind.

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