Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Bettler 01 - Bettler in Spanien

Titel: Bettler 01 - Bettler in Spanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
Vom Netzwerk:
die Allgemeinheit. Das muß doch schwerer wiegen als das Unbehagen, das wir euch verursachen. Wir sind wertvoll für euch. Aber das weißt du ohnedies.«
    Stewart wischte die Krümel vom Laken. »Ja, ich schon. Yagaiisten wissen das.«
    »Und es sind Yagaiisten, die die Führungsschicht in der Finanz- und Wirtschaftswelt und im akademischen Bereich ausmachen. Oder demnächst ausmachen werden. In einer Gesellschaft, die den Menschen nach seinen Verdiensten beurteilt, sollte das auch so sein. Aber du unterschätzt die überwiegende Mehrheit, Stew. Die Befolgung der ethischen Grundsätze beschränkt sich nicht nur auf diejenigen, die an der Spitze stehen.«
    »Ich hoffe, du hast recht«, sagte Stewart. »Weil ich dich liebe, weißt du.«
    Leisha legte ihr Sandwich hin.
    »Die reine Freude«, murmelte Stewart zwischen ihren Brüsten, »du bist die reine Freude für mich.«
    Als Leisha zum Erntedankfest nach Hause kam, erzählte sie Richard von Stewart. Er hörte mit zusammengepreßtem Mund zu.
    »Ein Schläfer.«
    »Ein Mensch!« sagte Leisha. »Ein guter, intelligenter, strebsamer Mensch.«
    »Weißt du schon, was deine guten, intelligenten, strebsamen Menschen getan haben, Leisha? Jeanine wurde von der Teilnahme an den Olympischen Spielen ausgeschlossen. Wegen ›gentechnischer Veränderung am Erbgut, die analog zur mißbräuchlichen Verwendung anaboler Steroide einen unsportlichen Vorteil erzeugt‹. Chris Devereaux hat Stanford verlassen. Sie haben sein Labor zerstört und zwei Jahre Arbeit an gedächtnisbildenden Proteinen zunichte gemacht. Und Kevin Bakers Softwarefirma muß sich gerade gegen eine gehässige Flüsterkampagne zur Wehr setzen, bei der es um die Kinder geht, denen man Software in die Hände gibt, die von nichtmenschlichen Hirnen ersonnen wurde. Verderbliche Einwirkungen, geistige Sklaverei, satanische Einflüsse – das ganze Sammelsurium einer Hexenjagd eben. Wach doch auf, Leisha!«
    Sie horchten beide dem Echo seiner Worte nach. Die Minuten vergingen. Richard stand da wie ein Boxer, leicht vorgeneigt auf den Fußballen, die Zähne zusammengebissen. Schließlich fragte er mit sehr gefaßter Stimme: »Liebst du ihn?«
    »Ja«, antwortete sie. »Es tut mir leid.«
    »Deine Sache«, erwiderte Richard kalt. »Was machst du, wenn er schläft? Siehst du ihm zu?«
    »Aus deinem Mund klingt das, als wär’s pervers!«
    Richard sagte nichts darauf. Leisha holte tief Atem. »Während Stewart schläft, arbeite ich. Genau wie du.« Sie sprach rasch, aber ruhig; es war ein sehr kontrollierter Gefühlsausbruch. »Richard, tu das nicht. Ich wollte dir nicht weh tun. Und ich möchte auch nicht unsere Gruppe verlieren. Ich bin eigentlich der Meinung, daß die Schläfer derselben Spezies angehören wie wir. Willst du mich dafür bestrafen? Willst du dem alten Haß neuen hinzufügen? Willst du mir sagen, daß ich nicht auch zur übrigen Welt aus ehrlichen, wertvollen Menschen gehören könnte, ob sie nun schlafen oder nicht? Willst du mir sagen, daß der bedeutendste Unterschied zwischen Menschen von der Gentechnik geschaffen wird und nicht von Geist und Charakter? Willst du mich vor eine künstliche Wahl stellen: Wir oder sie?«
    Richard griff nach einem Armband. Leisha erkannte es wieder; sie hatte es ihm im Sommer geschenkt. Seine Stimme klang gepreßt. »Nein. Es soll keine Wahl sein.« Er drehte an den goldenen Kettengliedern und sah ihr nach einer Weile ins Gesicht. »Noch nicht.«
     
    Als Leisha in den Semesterferien nach Hause kam, war Camdens Gang augenfällig langsamer geworden. Er nahm Medikamente für den Blutdruck und fürs Herz. Er und Susan, so erklärte er Leisha, stünden gerade im Begriff, sich scheiden zu lassen. »Sie hat sich verändert, Leisha, seitdem wir verheiratet sind. Du hast das ja selbst miterlebt. Vorher war sie eine unabhängige Frau, fröhlich und voller Tatendrang. Und dann, nach ein paar Jahren, war plötzlich Schluß damit, und sie wurde zu einem echten Hausdrachen. Zu einem ewig raunzenden Hausdrachen.« Er schüttelte den Kopf in ehrlicher Verständnislosigkeit. »Du hast es ja miterlebt.«
    Das hatte Leisha allerdings. Eine Erinnerung kam ihr in den Sinn: Susan mit hüpfenden Stirnfransen und funkelnden Augen, wie sie sie und Alice unauffällig durch ›Spiele‹ geleitet hatte, bei denen es sich eigentlich um kontrollierte Leistungstests des Gehirns gehandelt hatte. Damals hatte auch Alice Susan geliebt, genau wie Leisha.
    »Papa, ich möchte Alices Adresse.«
    »Ich sagte dir

Weitere Kostenlose Bücher