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Bettler 01 - Bettler in Spanien

Titel: Bettler 01 - Bettler in Spanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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Schlaflosen besteht, die aber…«
    »… reich genug ist, um ihn sich leisten zu können«, ergänzte Hawke, der hinter ihnen nähergekommen war. »Miss Camden, Sie haben den ganzen Abend kein Wort mit mir gesprochen.«
    »Hatten Sie etwas anderes erwartet?«
    Er lachte auf. »Nein, bestimmt nicht. Warum sollte Leisha Camden dem Organisator einer Gewerkschaftsbewegung von unterklassigen Idioten, die ein Drittel ihres Lebens in leichenstarrer Unproduktivität verbringen, irgend etwas zu sagen haben?«
    »Ich habe Schläfer noch nie auf diese Weise betrachtet«, entgegnete sie gelassen.
    »Wirklich nicht? Betrachten Sie sie als ebenbürtig? Wissen Sie, was Abraham Lincoln über die Ebenbürtigkeit gesagt hat, Miss Camden? Sie haben doch ein Buch über Lincolns Ansichten zur Verfassung herausgebracht, und zwar unter dem Pseudonym Elizabeth Kaminsky, nicht wahr?«
    Leisha antwortete nicht. Jordan sagte: »Jetzt reicht’s aber, Hawke.«
    Unbeirrt fuhr Hawke fort: »Lincoln sagte über den Menschen, dem man materielle Ebenbürtigkeit vorenthält: ›Wenn er erst zum Schweigen gebracht und es ihm nicht mehr möglich ist, sich über die Tiere des Feldes zu erheben; wenn erst seine Seele auf dieser Welt zertreten ist und er selbst an einem Ort angelangt, wo der Strahl der Hoffnung so erloschen ist wie in der Finsternis der Verdammten, können wir dann ganz sicher sein, daß der Dämon, den wir wachriefen, sich nicht gegen uns kehren und uns in Stücke reißen wird?‹«
    »Und wissen Sie, was Aristoteles über die Ebenbürtigkeit sagte?« fragte Leisha. »Er sagte: ›Gleiche stellen sich gegen Gleiche, um zu Überlegenen zu werden; das ist der Nährboden, der Revolutionen hervorbringt.‹«
    Hawkes Gesichtszüge wurden starr, und Jordan hatte wahrhaftig den Eindruck, daß seine Knochen mit einemmal noch kantiger wurden. Dann regte sich etwas hinter Hawkes Augen, er schickte sich an zu sprechen, überlegte es sich sichtlich anders und lächelte statt dessen nur geheimnisvoll. Dann drehte er sich um und ging davon.
    Nach einer Minute sagte Leisha: »Tut mir leid, Jordan. Das war ein unentschuldbarer Fauxpas für eine Familienfeier. Ich bin wohl zu sehr an Gerichtssäle gewöhnt, denke ich.«
    »Du siehst furchtbar aus«, sagte Jordan abrupt und überraschte sich damit selbst. »Du hast zuviel abgenommen. Dein Hals ist schrecklich dünn, und du bist ganz hohlwangig!«
    »Man sieht mir eben mein Alter an«, meinte Leisha belustigt. Warum sollte sie seine Bemerkung nicht belustigend finden? Vielleicht waren es die Schlaflosen, die er nicht verstand; vielleicht ganz einfach nur die Frauen. Er wandte sich kurz ab, um einen Blick auf Stella Bevington und die winzigen blitzenden Lichter zu erhaschen, die sie in ihrem roten Haar trug.
    Plötzlich beugte Leisha sich vor und packte ihn am Handgelenk. »Jordan – hast du dir je gewünscht, du könntest ein Schlafloser werden?«
    Er starrte in ihre grünen Augen, die so verschieden waren von Hawkes Augen; die ihren warfen alle Helligkeit zurück, die sie einfingen. Wie ein Paket, dessen Übernahme man verweigert. Mit einemmal fiel alle Ungewißheit von ihm ab. »O ja, Leisha. Das wünsche ich mir immer noch. Wir alle tun das. Aber wir können es nicht. Und das ist der Grund, weshalb ich für Hawke arbeite und für die gewerkschaftliche Organisation von unterklassigen Idioten, die ein Drittel ihres Lebens im Schlaf verbringen. Weil wir nicht sein können wie ihr.«
    Seine Mutter kam hinzu. »Ist alles in Ordnung bei euch?« fragte sie und blickte von Sohn zu Schwester. Jordan merkte zum erstenmal, daß außer ihrer gewohnt freundlichen Miene heute etwas an ihr war, das ihn geradezu zurückprallen ließ: ein wirklich abstoßendes Kleid aus teurer grüner Seide, das nichts, aber auch schon gar nichts dazu beitrug, ihre gedrungene Statur zu kaschieren. Um den Hals trug sie den antiken Anhänger, den sie von Beck bekommen und der einst einer englischen Herzogin gehört hatte.
    »Bestens«, sagte Jordan; sonst fiel ihm nichts ein, was er hätte hinzufügen können. Zwillinge – sie waren Zwillinge! Alle drei lächelten einander schweigend an, bis Alice sprach; überrascht stellte Jordan fest, daß seine Mutter ein wenig beschwipst war.
    »Leisha, habe ich dir schon von dem neuen Fall erzählt, von dem unsere Studiengruppe erfahren hat? Es handelt sich um Zwillinge, die von Geburt an getrennt waren, doch als einer der beiden sich den Arm brach, verspürte der andere wochenlang im selben Arm

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