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Bettler 02 - Bettler und Sucher

Titel: Bettler 02 - Bettler und Sucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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ich. Miranda Sharifi hatte uns erklärt, wir würden hier der größten Errungenschaft auf medizinischem Gebiet seit zweihundert Jahren ansichtig werden, und für die meisten von uns sah es aus wie Alchemie. ALLE MACHT ÜBER WISSENSCHAFT UND TECHNIK DEM VOLK! Ja, ganz recht. Aber wie sollen grobe Klötze wie wir Entscheidungen über Wunderdinge fällen, die wir nicht verstehen?
    Am Ende stand klarerweise die Ablehnung.
    Zwei der drei Nobelpreisträger schrieben jedoch abweichende Gutachten: Barbara Poluikis und Martin Exford. Sie traten für eine Genehmigung von Beta-Tests an Freiwilligen ein und schlossen auch die Möglichkeit einer allgemeinen Zulassung in der Zukunft nicht aus. Sie wollten den wissenschaftlichen Einblick haben; selbst aus der nüchternen Formulierung ihres kurzen gemeinsamen Gutachtens war noch herauszuhören, wie gierig sie danach hechelten. Ich sah, daß Miranda Sharifi die beiden aufmerksam beobachtete.
    Gerade, daß die Begründung der mehrheitlich beschlossenen Ablehnung nicht auf die amerikanische Flagge gedruckt wurde: der Schutz der Bürger der Vereinigten Staaten, die heilige Pflicht der Verantwortung, die Bewahrung der Identität des menschlichen Genoms, blablabla. Im Grunde genommen all das, weswegen ich mich an dem Tag, an dem Katous sich von meinem Balkon stürzte, zur Mitarbeit bei der AEGS entschlossen hatte.
    Und irgendwo tief drinnen glaubte ich immer noch daran, daß das Mehrheitsgutachten recht hatte. Keinen Regeln und Beschränkungen unterworfene Biotechnik enthielt das Potential für unvorstellbare Katastrophen. Und niemand war in der Lage, die Biotechnik von Huevos Verdes zu kontrollieren, weil niemand sie wirklich verstand. Die Intelligenz der SuperSchlaflosen und der amerikanische Patentschutz wirkten zusammen, um das zu garantieren. Und wenn man es keinen Vorschriften unterwerfen kann, dann ist es besser, es erst gar nicht ins Land zu lassen.
    Nichtsdestoweniger war ich zutiefst deprimiert, als ich den Gerichtssaal verließ. Und mußte unmittelbar darauf erfahren, daß mein mangelndes Wissen auf dem Gebiet der Zellbiologie nicht mein schlimmster Mangel war. Ich hatte mich stets für eine Zynikerin gehalten, aber Zynismus ist wie Geld: immer hat irgend jemand anders mehr davon als wir selbst.
    Ich saß auf den Stufen des Wissenschaftsgerichts, den Rücken an eine dorische Säule gelehnt, die den Umfang eines mittleren Redwoodbaums hatte. Ein leichter Wind wehte. Zwei Männer blieben im Schutz der Säule stehen, um sich Pfeifen mit Sonnenschein anzuzünden. Ich hatte schon früher bemerkt, daß die Leute im Osten ihn gern rauchten; wir in Kalifornien hingegen tranken ihn lieber. Die Männer hatten das gute Aussehen von GenMods und waren in die strengen, schwarzen ärmellosen Anzüge gekleidet, die hier in Washington gerade große Mode waren. Die beiden ignorierten mich. Nutzer merkten sofort, daß ich keine von ihnen war, aber Macher blickten selten über den Overall und den Limodosenaufputz hinaus: Grund genug für das augenblickliche Erlöschen jeglichen Interesses.
    »Also, was schätzt du – wie lange?« fragte einer den anderen.
    »Drei Monate, bis er auf dem Markt ist. Ich tippe auf Deutschland oder Brasilien.«
    »Und was ist, wenn Huevos Verdes davon absieht?«
    »John, warum sollten sie denn? Damit ist ein Vermögen zu machen, und dieses Sharifi-Mädel ist nicht von gestern. Ich werde jedenfalls die Trends auf dem Investmentmarkt genau im Auge behalten.«
    »Weißt du, es geht mir gar nicht so sehr um den Investitionsfaktor.« Johns Stimme klang wehmütig. »Ich möchte das Ding nur gern für Jana und mich und die Mädchen. Jana hat seit Jahren diese Gewächse, die immer wiederkommen… was es bisher gibt, hält sie bestenfalls in Schranken.«
    Der andere Mann legte eine Hand auf Johns Arm. »Dann konzentriere dich auf Brasilien. Das wäre mein erster Tip. Dort würde die Sache außerdem rascher gehen, rascher jedenfalls als hier, hätte er hier die Zulassung bekommen. Und ohne die Komplikation, daß jedes Drecksnest von Nutzern ihn lautstark für seine RoboAmbulanz fordert, egal, wie astronomisch die Kosten sind.«
    Die Pfeifen waren angezündet, und sie gingen weiter.
    Ich blieb sitzen und schüttelte den Kopf über meine eigene Dummheit. Natürlich!
    ALLE MACHT ÜBER WISSENSCHAFT UND TECHNIK DEM VOLK!
    Vielleicht hatte Doktor Lee Chang recht, vielleicht würde der Zellreiniger Amok laufen und sie alle umbringen. Alle außer den Nutzern. Und wer würde sich dann

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