Bettler 03 - Bettlers Ritt
Menge leerstehender Hütten, und solange es kühl blieb – was noch ein, zwei Monate dauern konnte –, würden keine anderen Stämme aus dem Süden zurückkehren. Solange sollte sie in Sicherheit sein. Sie konnte einen Y-Kegel und ihr Terminal mitnehmen und achtzehn Stunden täglich damit verbringen, im Netz nach Antworten zu suchen.
Ohne Dirk?
Lizzies Unternehmungslust ließ schlagartig nach. Sie konnte ihn nicht mitnehmen, denn er würde nicht aufhören, aus Angst vor der neuen Umgebung zu weinen und zu quengeln. Und sie, Lizzie, würde ihre ganze Zeit dafür aufwenden, ihn zu beruhigen. Niemand hatte ihr gesagt, damals, als sie sich so frohgemut schwängern ließ, wieviel Zeit ein Baby beanspruchte! Ganz besonders eines, das herumkrabbelte und alles in den Mund steckte. Sie konnte Dirk nicht mitnehmen. Sie würde ihn bei Annie und dem Stamm zurücklassen müssen – wo er hingehörte, solange es ihr nicht gelang herauszufinden, was ihn wieder gesund machen würde.
Und das würde sie herausfinden! Weil sie Lizzie Francy war. Es würde ihnen – wer auch immer sie waren – nicht gelingen, sie, Lizzie, soweit zu bringen, daß sie sich geschlagen gab.
Sie drehte sich um und stürmte zurück ins Lager.
Etwa drei Kilometer vom Lager entfernt fand sie eine SchaumStein-Hütte, die aussah, als hätte sie einst, vor den Umstellungs -Kriegen, einer Nutzer-Familie gehört – von jener eigensinnigen Sorte, die lieber allein an einem abgelegenen Berghang lebte, als in eine Stadt zu ziehen und sich vom Staat aushalten zu lassen. Als die Leute weggezogen waren, hatten sie entweder alles aus der Hütte mitgenommen oder verbrannt. Es gab keinerlei Möbel und weder fließendes Wasser noch Toilette. Aber Lizzie brauchte das alles nicht. Die Tür ließ sich immer noch fest verschließen, und die Plastikfenster waren intakt. Und im Wald gab es einen Bach.
Sie verscheuchte zuerst einmal sämtliches Getier, das in den Winkeln hauste: einen Waschbär, eine Schlange, frisch geschlüpfte Spinnen. Dann trug sie den Y-Kegel in die Hütte, ihr Bettzeug und einen Wasserkrug aus Plastik. Und dann hockte sie sich im Türkensitz auf ihren Schlafplatz, lehnte sich an die glatte SchaumStein-Wand und sprach zu ihrem Terminal.
Sie begann – weil sie irgendwo beginnen mußte – mit Donald Serrano. Der neue Distriktsleiter von Willoughby bekleidete sein Amt auf die gleiche Art und Weise wie der verstorbene Harold Winthrop Wayland. Und selbst bei genauester Erforschung von Serranos finanziellem Hintergrund führte absolut nichts, auch nicht indirekt, zu einer Pharmafabrik. Falls es doch eine solche Verbindung gab, dann hatte Serrano sie besser getarnt, als Lizzie herausfinden konnte. Sie selbst glaubte nicht, daß diese Verbindung existierte.
Als nächstes versuchte sie es bei den größten Bio-Tech-Firmen. Das war schon weitaus kniffliger. Sie wollte nicht, daß ihre Datenfischerei bis zu ihr zurückverfolgt werden konnte, und so kostete es sie Wochen zeitaufwendiger, sorgfältiger Arbeit, alle Sicherheitscodes zu durchbrechen und in die DeBes zu gelangen. Sie konstruierte getarnte Suchprogramme in den Systemen anderer Leute, die sie nach dem Zufallsprinzip auswählte. Diese Programme wiederum erzeugten ausgefeilte Unterprogramme für Klone, Würmer, Sackgassen und Verschlüsselungen. Die auf solche Art gekaperten Dateien versteckte Lizzie in weiteren zufällig ausgewählten Systemen und wickelte den Zugriff auf sie nur über abgesicherte Verbindungen ab. Sie war sehr, sehr vorsichtig.
Doch sobald sie die gewünschte Information hatte, ergab sich ein weiteres Problem: Sie verfügte nicht über den nötigen wissenschaftlichen Hintergrund, um zu erkennen, was sie vor sich hatte. Aber sie wußte wenigstens, wonach sie suchte: jede Art von Entwicklung auf dem Neuropharmaka-Markt, die in der Lage war, die Reaktionen des Gehirns bleibend in Richtung Angst zu lenken. Einige Firmen arbeiteten an Lustdrogen mit anhaltender Wirksamkeit, die also in der Lage sein mußten, den Zellreiniger zu umgehen, doch soweit Lizzie es beurteilen konnte, hatte noch niemand so rechten Erfolg dabei gehabt.
Ihre besondere Aufmerksamkeit galt Kelvin-Castner. Die dortigen Datenbanken waren randvoll mit esoterischen Berichten über alles, was mit Dirks und Shockeys Gewebeproben angestellt wurde. Und täglich, so schien es, schlossen sich dem Team dort neue Forscher an. Weitere Geräte, für die bezahlt wurde, weitere Zwischenberichte, die abgespeichert wurden,
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