Beuteschema: Thriller (German Edition)
war.
» Alles in Ordnung?«, ertönte Ians Stimme aus dem Schlafzimmer.
Sie antwortete nicht. Er wird herauskommen und nach mir sehen. Das tut er immer.
Und genau das tat Ian im nächsten Moment. Er trug ein hellblaues T-Shirt sowie eine kurze, schwarze Sporthose und setzte sich auf den Teppich neben sie. Claire sah zu ihm und lächelte. Er wirkte so ruhig, wie er da auf einem azurblauen Wellenmuster saß, und nahm sanft ihre Hand.
» Dein Tag war höllisch«, stellte er fest.
Claire nickte nur und schloss die Augen. Es gab ein langes Schweigen, das Ian schließ durchbrach. » Alle wollen von mir wissen, was passiert ist«, sagte er.
» Ich will nicht darüber reden«, brachte Claire heraus.
Ian nickte verständig. » Kann ich dir etwas bringen?«
» Danke, ich brauche nichts.«
Aber als sie ihn aufstehen hörte, öffnete sie die Augen gerade weit genug, um ihn in die Küche gehen zu sehen. An jedem anderen Tag hätte dieser Anblick sie vielleicht erregt. Heute Abend jedoch führte der Gedanke an Sex nur zu Quimby und was er diesen Frauen angetan hatte.
Obwohl es immer gut gewesen war mit Ian. Sie hatten sich während beider Assistenzarztzeit an Harvards renommiertem Massachusetts General Hospital kennengelernt. Claire hatte man ermutigt, sich dort zu bewerben und ihr eine Stelle so gut wie zugesichert. Ian, der ein solider, aber kein herausragender Medizinstudent in Stanford gewesen war, hatte keine solchen Garantien bekommen, fügte sich aber dennoch mühelos ein. Sie umkreisten einander den größten Teil ihrer vierjährigen Dienstzeit, die Anziehung, die sie aufeinander ausübten, war mit Händen zu greifen. Sie hielten sich nur deshalb zurück, weil Claire wollte, dass alles auf einer professionellen Ebene zwischen ihnen blieb. Bis Claire gegen Ende ihrer gemeinsamen Zeit aufhörte, Ian abzuweisen und seinen schamlosen Avancen nachgab. Er hatte sich eindeutig in sie verliebt. Und ihr wurde klar, dass sie ihn ebenfalls liebte. Sie fühlte sich stark zu ihm hingezogen, und der Sex mit ihm war der beste in ihrer begrenzten Erfahrung mit Männern. Er schaffte es, dass sie sich entspannte, wenn er sie schief anlächelte, ihr den Nacken rieb und ihr mit den Fingern durchs Haar fuhr. Und die Spannung, die immer irgendwo tief in ihr gegenwärtig war, fiel dann zumindest für kurze Zeit von ihr ab.
Sie lebten getrennt, während Claire ihr Forschungsstipendium an den National Institutes of Health in Washington absolvierte, da sich Ian dem psychiatrischen Stab des New Yorker Bellevue Hospitals angeschlossen hatte, wo er alle Hände voll zu tun hatte. Claire genoss einigermaßen normale Wochenarbeitszeiten, weshalb sie diejenige war, die an den Wochenenden nach Manhattan kam. Je nachdem, ob Ian Bereitschaft hatte, liefen diese Ausflüge häufig auf nicht sehr viel mehr als Paarungsbesuche hinaus. Aber Claire brauchte die körperliche Vereinigung mit ihm, als müsste sie sich neu aufladen für die allein verbrachten Nächte mit Träumen von Amy, die vom Erdboden verschluckt oder in einen Strudel gesaugt wurde und nach Claire rief, die sie retten sollte.
Ihre gleichzeitige Aufnahme in Curtins Forschungsprogramm war ein glücklicher Zufall. Ian bewarb sich nach nur einem Jahr städtischem Krankenhausirrsinn und wurde auf das folgende Jahr vertröstet. Claire erzählte ihm nicht, dass Curtin wegen einer Bewerbung auf sie zugekommen war, da ihre Entscheidung eine Überraschung sein sollte. Sie tauchte eine Woche vor Beginn des Programms in einem gemieteten SUV mit all ihren Habseligkeiten in Koffern und Kisten bei ihm auf. Die freudige Überraschung auf seinem Gesicht, als er zur Tür hereinkam, lohnte alle Mühen, die sie auf sich genommen hatte, um ihre Teilnahme an dem Forschungsstipendium geheim zu halten. Jetzt schloss sie die Augen und dachte daran, wie sie sich in jener ersten Nacht fast bis zum Sonnenaufgang geliebt hatten.
Das war erst vor zehn Tagen gewesen. Claire kam es vor, als wäre schon ein Jahr vergangen; das emotionale Trauma der letzten vierundzwanzig Stunden hatte sie so gründlich ausgelaugt, dass sie sich völlig taub fühlte. Und im Augenblick wollte sie nur, dass es so blieb.
Was als Nächstes geschah, schockierte sie. Aus heiterem Himmel fing sie zu weinen an, ihre Lider konnten die Tränen nicht zurückhalten. Sie fasste sich, bevor sie lauthals schluchzte, dennoch hörte Ian sie und kam herbeigestürzt.
» Was ist los?«, fragte er mit besorgter Miene.
» Ich weiß es nicht«,
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