Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bevor der Morgen graut

Bevor der Morgen graut

Titel: Bevor der Morgen graut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Arnar Ingolfsson
Vom Netzwerk:
Familienfotografien. Das Arrangement der Bilder zeigte viel guten Willen, aber wenig Geschmack. Sólveig bot den beiden an, im Wohnzimmer Platz zu nehmen.
    Kristján kam gleich zur Sache. »Wir glauben, dass wir jetzt endlich die Leiche deines Sohnes Leifur gefunden haben.«
    Die Frau hielt einen Augenblick den Atem an.
    »Die Umstände sind nur ganz anders, als wir erwartet hatten«, setzte Kristján fort. »Und außerdem war unsere Schlussfolgerung, dass er Selbstmord begangen hat, falsch.«
    »Wie bitte …?«
    »Es besteht die Möglichkeit, dass er ermordet worden ist.«
    »Ermordet? Aber er hat doch diesen Brief geschrieben!«
    »Das ist uns auch ein Rätsel.«
    »Großer Gott. Ich habe es die ganze Zeit gewusst. Mein Leifur war auf gar keinen Fall depressiv veranlagt, und das habe ich euch auch wer weiß wie oft gesagt.«
    Birkir schaltete sich ein: »Ist dein Sohn auf Gänsejagd gegangen?«
    Sólveig erschrak. »Hat es etwas mit diesen Morden in Südisland zu tun?«
    »Das wissen wir nicht«, sagte Birkir, »wir untersuchen diese Möglichkeit.«
    »Ja, er ist furchtbar gern auf Gänsejagd gegangen. Ich hatte voriges Jahr auch der Polizei gesagt, dass seine Jagdkleidung und sein Gewehr nicht in der Abstellkammer waren.«
    Kristján nickte zur Bestätigung.
    »Kann es sein, dass er auf Gänsejagd war, als er verschwand?«
    »Das habe ich zuerst geglaubt«, sagte Sólveig. »Genau das habe ich der Polizei gesagt, als ich meldete, dass er nicht zurückgekommen war.«
    Kristján warf ein: »Anfangs gingen wir auch davon aus und haben an den entsprechenden Orten nach ihm gesucht. Deswegen haben wir das Auto auch nicht gleich gefunden.«
    »Ging Leifur häufig auf Gänsejagd?«, fragte Birkir.
    »Ja, wann immer sich die Möglichkeit bot.«
    »Und wo jagte er?«
    »Meistens hier irgendwo im Eyjafjörður, wo die Gänse regelmäßig hinkommen und wo er eine Erlaubnis zum Jagen bekommen konnte. Was er schoss, hat er an Restaurants hier in der Stadt verkauft.«
    »Zog er allein los?«
    »Nein, meist mit seinem Freund zusammen.«
    »Aber er war allein, als er verschwand?«
    »Ja, sein Freund war damals nach Reykjavík gezogen.«
    »Gab es irgendetwas Ungewöhnliches im Zusammenhang mit diesem Jagdausflug?«
    »Dazu kann ich nichts sagen, ich hab nicht einmal mitbekommen, als er losfuhr.«
    »War das immer so?«
    »Ja. Leifur hat mir in den seltensten Fällen davon erzählt, wenn er auf die Jagd ging. Er war ja schließlich ein erwachsener Mensch und hat sein eigenes Leben gelebt, auch wenn er hier bei mir immer noch ein Zimmer hatte. Ich habe ihn nie zum Essen erwartet, es sei denn, dass wir etwas vereinbart hatten. Ich selbst esse meistens im Krankenhaus. Manchmal habe ich ihn tagelang nicht gesehen. Er hatte sein Handy, und ich konnte ihn anrufen, wenn ich ihn erreichen musste.«
    »Das Handy hat keine Hinweise gegeben?« Birkir richtete diese Frage an Kristján, der antwortete: »Nein, das Handy war zuletzt hier in Akureyri registriert, dann wurde das Gerät abgeschaltet.«
    Birkir wandte sich wieder an Sólveig: »Hat es in der Zeit vor Leifurs Verschwinden irgendwelche Veränderungen in seinem Privatleben gegeben?«
    »Nein, davon habe ich nichts gemerkt. Leifur war allerdings in den Wochen zuvor ziemlich rastlos gewesen, weil sein bester Freund nicht mehr da war. Und seine Freundin wollte auch weg, um zu studieren. Sie waren aber nicht zusammen oder so was, sondern nur gut befreundet. Wegen dieser Veränderungen in seinem Leben konnte ich auch nicht ganz ausschließen, dass die Polizei Recht hatte mit dieser Selbstmord-Theorie, obwohl es mir selber immer sehr unwahrscheinlich vorkam. Und dann wurde ja auch keine Leiche gefunden. Er konnte immer noch am Leben sein, das habe ich im Innersten die ganze Zeit gehofft. Dass er sich vielleicht ins Ausland abgesetzt hätte.«
    Sólveig wandte sich an Kristján. »Bist du sicher, dass ihr jetzt wirklich Leifur gefunden habt?«
    Kristján nickte. »Ja, er hatte seine Papiere dabei.«
    »Kann ich ihn sehen?«, fragte Sólveig. »Vielleicht ist er es ja gar nicht.«
    »Das hat überhaupt keinen Sinn, leider. Du würdest ihn nicht erkennen«, erklärte Kristján. »Wir werden die Unterlagen seines Zahnarztes hinzuziehen und eine DNA-Probe machen. Dieser Fall wird nicht zu den Akten gelegt, bevor wir ganz sicher sind.«
    Birkir fragte Sólveig: »Wer sind diese Freunde von Leifur, über die du gesprochen hast?«
    Sólveig stand auf und ging aus dem Zimmer, kam aber bald zurück

Weitere Kostenlose Bücher